: Aus dem „Idiotenstübchen“
■ „Schwestern vergeßt uns nicht!“– eine Ausstellung in der Schwankhalle portraitiert Frauen in Konzentrationslagern
Viel hat sie zu sagen, die Austellung „Schwestern, vergeßt uns nicht! – Frauen im Konzentrationslager: Moringen, Lichtenburg, Ravensbrück“, die jetzt in Bremen gezeigt wird – ein bißchen zuviel. Denn unzählige Frauen-Biografien sind in der Schwankhalle am Buntentorsteinweg auf Stellwänden aneinandergereiht. In dieser Informationsfülle steckt aber zu wenig Detail. Auch die Organisatorinnen haben sich mit ihren austellungsbegleitenden, politischen Pamphleten etwas verrannt.
Fast 20 schwarz-weiß Portraits von ehemaligen weiblichen KZ-Häftlingen hängen da – jeweils mit einer knappen, nach Jahreszahlen geordneten Biografie unterlegt. In dieser Form wurde die Ausstellung vom „Studienkreis Deutscher Widerstand“sowie der „Lagergemeinschaft Ravensbrück“konzipiert – und so wurde sie auch von Bremer Frauen aus „feministischen, antifaschistischen und antirassistischen Zusammenhängen“nach Bremen geholt. In der „heutigen Zeit des wiedererstarkenden Nationalismus, Rassismus, Sexismus und Antisemitismus“wolle frau „politisch Stellung beziehen“, so ihre Begründung.
Passend zu dieser Stellungnahme entschieden sich die Frauen jedoch, an bestimmten Tagen nur ganz bestimmte Gruppen in die Ausstellung zu lassen. Sonntag, der 9. März , so hieß es, sei nur Migrantinnen, Jüdinnen, schwarzen sowie Sinti- und Roma-Frauen vorbehalten. Dienstags und sonntags wird die Tür nur für „FrauenLesben“offengehalten.
Soweit, so schlecht. Denn die Ausstellung könnte vor allem ganz normale BremerInnen zum Gedenken anregen und ermahnen. Denn was in der Schwankhalle mit ihren kahlen Wänden zu sehen ist, erinnert an das Elend in den Frauen-Konzentrationslagern. Kommunistinnnen, SPDlerinnen sowie Huren und Bibelforscherinnen wurden dort als „Schutzhäftlinge“festgehalten. Mutige, engagierte Frauen, die im Widerstand aktiv waren – und nach bereits verbüßten Haftstrafen als „unverbesserliche Staatsfeinde“wegen „marxistischen Tätigkeiten“ins KZ „überführt“worden waren.
Gertrud Müller wurde zum Beispiel als 18jähriges Mitglied des Kommunistischen Jugendverbandes verhaftet, weil sie sowjetische ZwangsarbeiterInnen bei Bosch unterstützt hatte. Nach 13 Monaten Einzelhaft kommt sie ins größte Konzentrationslager in Ravensbrück: Rund 15.000 Frauen sind dort allein im Jahr 1943 inhaftiert, darunter auch hunderte Sinti und Roma. Wenige Monate nach ihrer Ankunft in Ravensbrück kann sie fliehen: Eine antifaschistische Häftlingsorganisation schmuggelt sie aus dem Lager. Doch mehr verrät die Tafel nicht über die Person Gertrud Müller, dabei hätte man gerne genaueres über ihre spektakuläre Flucht erfahren.
Nur kleine Zitatkästen liefern Eindrücke über die Lebensumstände im KZ: „Ich sehe diesen Idealtyp der deutschen Frau zum ersten Mal“, schreibt eine Frau über die Wachtmeisterin im KZ Lichtenburg. „Eine leere, brutale Visage – der feiste Zug um den Mund ist immer gleich“, erzählt sie weiter. Wie die weiblichen Häftlinge miteinander umgingen, schildert anschaulich eine Inhaftierte: „Wo ist meine Lehne, riefen die Frauen immer wieder. Denn das Sitzen auf den Hockern war hart. Da setzen wir uns Rücken an Rücken und halfen uns gegenseitig“, auch an den Lagerkommandant Kogel erinnert sie sich: „Kogel war damals nur ein Name für mich, später wurde er ein Begriff, ein Begriff des Unmenschlichen schlechthin“.
Daß viele Frauen bereits nach einem Jahr aus dem KZ entlassen wurden und sich als Auflage wöchentlich bei der Gestapo melden sollten, taucht immer wieder in den Biografien auf. Doch über die Entlassungsgründe ist nichts zu erfahren. Leider bleibt auch die Zeichnerin Violette Lecoq als Persönlichkeit blaß: Ihre Skizzen finden sich auf den Ausstellungstafeln. Der weibliche Leutnant der französischen Geheimarmee wurde 1942 von den Deutschen verhaftet und ins KZ gebracht. Dort zeichnete sie Häftlinge im „Idiotenstübchen“und als „Versuchskaninchen“, erfährt der Ausstellungsgast knapp. Die Skizzen hätten dann als Beweis vor Gericht verwendet werden können. kat
Die Austellung ist bis zum 26.3.1997 am Buntentorsteinweg 112 zu sehen. Geöffnet ist Di. (15 - 20 Uhr), Do. (10- 16 Uhr), Fr. (10 - 16 Uhr) sowie Sa. und So. (12 - 18 Uhr). Di. und So. nur für „FrauenLesben“.
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