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■ VorschlagWieviel Retro verträgt der Britpop? Ocean Colour Scene im Loft

Verrat! Ausverkauf! Schweinerei! Da war viel los auf den britischen Inseln, als eine Band mit Namen Ocean Colour Scene ihr Album „Mosely Shoals“ veröffentlichte und damit einen riesigen Erfolg hatte. Ein Generationskonflikt ganz eigener Art tat sich mit der Band aus Birmingham auf: Die Alten meinten anhand ihrer Musik, die Jungen zu verstehen und mit ihnen gemeinsame Sache machen zu können. Doch diese waren beleidigt und fragten sich, ob es gut sei, mit Vätern und Großvätern denselben Sound zu hören. Ocean Colour Scene oder die mörderische Frage, wieviel Rückwärtsgewandtheit der Britpop verträgt. Denen steht nicht der Sinn nach Rave, Jungle und Cross-over-Experimenten, die Helden, vor denen sie auf „Mosely Shoals“ den Hut ziehen, sind Cream, Free, Stevie Winwood, Booker T. und Motown-Musik, und natürlich die Stones und die Beatles.

Mal haßerfüllt, mal wohlwollend verhandelt man sie auf den Inseln als „Craftsman-Rocker“ und „Dad und Dead-Rocker“, und vor allem als „Weller-Worshipper“: Auch Paul Weller arbeitet sich ja seit seinen Style-Council-Zeiten intensivst an der Popgeschichte ab, und nicht zuletzt hatte er zwei der Musiker von Ocean Colour Scene jahrelang auf seinen Lohnlisten stehen, nachdem diese 1992 schon einmal mit einem handelsüblichen Britpop-Album durchgefallen waren.

Aufregung hin, Weeklygeschnatter her: „Mosely Shoals“ ist ein großes Album, Ocean Colour Scene eine toffe Band, selbst wenn man als alterndes Indiekid ein paarmal schlucken muß. Schließlich ist unsereins mit Jesus & The Mary Chains „Psychocandy“ aufgewachsen, ist schrumm, schräg, süß und Pop gewohnt, und Ocean Colour Scene-Songs sind das genaue Gegenteil davon: Fein und sauber ausgearbeitet, mit gekonnten Gitarrenriffs, bei denen vor allem die Leser von Fachzeitungen mit der Zunge schnalzen müssen – aber die bekommen „Mosely Shoals“ wohl nie zu hören (nur Hardrock und so).

Musik-Musik, Klassik-Rock, und trotzdem: Diese Band ist cool und catchy, ihre Musik „wunderschön“, und selbst ein Jahr nach Veröffentlichung ihres zweiten Debüts hat man Nase und Ohren beim Hören noch nicht voll. Eine brillante Life-Band sollen Ocean Colour Scene übrigens auch sein. Gerrit Bartels

Ab 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz

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