: Königsweg Therapie
■ Justizsenator zieht erste Konsequenzen aus der Knacki-Fluchtwelle vom Januar
Die öffentliche Aufregung war groß, denn gleich vier Haftgefangene waren dem Justizapparat in der ersten Januarwoche abhanden gekommen; einer war sogar trotz Holzbein seinem Aufpasser entwischt. Gestern zog Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem (parteilos) erste Konsequenzen aus der Fluchtwelle. Denn aus einer Anfrage der Bürgerschaft geht hervor, daß es sich keineswegs nur um eine zufällige Häufung handelte.
Insbesondere im offenen Vollzug, in dem rund 900 der 3000 Hamburger Knackis untergebracht sind, führt die Versuchung oft zum Mißbrauch. Die geschlossenen Knäste sind aber knackevoll. Deshalb will Hoffmann-Riem zum einen weniger „Amtshilfe“leisten (Polizeigewahrsam, Abschiebehaft). Zum anderen sollen die begrenzten Investitionsmittel nun für die geschlossenen Anstalten ausgegeben und Bauvorhaben in offenen teilweise aufgeschoben werden. Damit rückt die Abschaffung der Saalunterbringung im offenen Vollzug in weite Ferne. „Mit den Sälen werden wir weiter leben müssen“, so Hoffmann-Riem.
Außerdem sollen die für die Vorbereitung auf die Freiheit unverzichtbaren Haftlockerungen bei Sexual- und Gewalttätern künftig strenger geprüft werden. Bei der Entscheidung müsse nun zwingend ein Psychologe beteiligt werden, der den betreffenden Häftling nicht selbst therapiert. Im Zweifelsfall könne darüber hinaus ein externer Experte hinzugezogen werden.
Eine „Check-Liste“soll den Anstalts-Bediensteten zusätzlich „Entscheidungssicherheit“verschaffen. Ausdrücklich sind dort frühere Lockerungsversagen als Entscheidungskriterien erwähnt. Doch auch die beste Prognose schütze vor Mißbrauch beim Ausflug in die Freiheit nicht, betonte der Justizsenator. „Das Risiko nimmt der Gesetzgeber in Kauf.“Um es zu minimieren, sollen die „therapeutischen Möglichkeiten für Sexualstraftäter“ausgebaut werden. Denn: „Jeder Haftgefangene wird irgendwann einmal entlassen.“Um Gefahr von der Bevölkerung abzuwenden, müsse der Straftäter effektiv auf die Zeit danach vorbereitet werden – auch mit Lockerungen. Am liberalen Strafvollzug halte Hamburg deshalb weiter fest. Silke Mertins
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