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Diener der Dichter

■ Mit den Regie-Routiniers Sprenger und König geht das Bremer Schauspiel ins Saisonfinale / Ein Doppelportrait

Jetzt wird's langweilig. Nein! Keine Vorverurteilung der kommenden Ereignisse des Bremer Schauspiels soll hier stattfinden. Aber eine Richtungsänderung bei der Identitätsbildung des Theaters muß festgestellt werden. Des Intendanten Klaus Pierwoß' Motto für diese Spielzeit lautete: Neue Regisseure für das Stadttheater entdecken. Und das ging so:

Nach Stefan Moskovs „Macbu“-Collage im Herbst sollte im März ein weiterer vitaler Nachwuchsregisseur, Janos Csanyi, Büchners „Leonce und Lena“auf die Bühne phantasieren. Doch der sprach nur Ungarisch. Aus Verständigungsproblemen wurde die Inszenierung Herbert König übertragen. Außerdem wollte Pierwoß in diesem Monat Rostands „Cyrano von Bergerac“mit Hamburgs Thalia-Star Wolf-Dietrich Sprenger in der Hauptrolle herausbringen lassen, da gab Regisseurin Christina Friedrich die Produktion zurück. Sprenger darf nun sein Wunschstück, Molières „Menschenfeind“, selbst inszenieren. Auch in der nächsten Spielzeit sollen Sprenger und König in Bremen arbeiten: Regiekonservative im besten Sinne. Aber keine Spielleiter, denen der Ruf eines Dekonstruktionstheaters a la Castorf & Co vorauseilt.

Die beiden Regiepositionen lassen sich schon 1990 festmachen, als König in Düsseldorf und Sprenger in Stuttgart Gorkis „Nachtasyl“inszenierten. Ins Allgemeine ausgenüchterte, klar ästhetisierte Studien des Verlierertums waren zu sehen. Von „feierlichem Ernst und kalter Pracht“schrieb der FAZ-Kritiker aus Düsseldorf damals, und der Stuttgarter Kollege hätte die Formulierung übernehmen können.

Dabei ist Sprenger als Schauspieler Jürgen Flimms ein komödiantischer Irrwisch, wenn auch immer seltener auf der Bühne zu sehen. Sprenger: „Andere Rollen kriege ich nicht. Da ich aber schon immer Verantwortung für das Erzählen ganzer Geschichten übernehmen wollte, rieb ich mich mit Regisseuren, die Darsteller entmündigten, versuchte mich erfolglos als Schriftsteller. Nun inszeniere ich.“Meist sind es Klassiker. Sprenger: „Als Versuch, etwas gegen die Verluderung von Sprache auf der Bühne, im Alltag, in den Medien, in der affigen Rechtschreibreform zu setzen.“König: „Ich halte Klassiker für handwerklich wie vom Gehalt her für besser, Gegenwartsstücke sind oft nur schwachsinnig“.

Ihr Verhältnis zu den Dichtern scheint eher konservativ zu sein. König: „Ich sehe mich als des Dichters Erfüller, der die Vieldeutigkeit der Werke auf die Bühne bringt. Ich will die Leute zum Nachdenken bringen, wie ihr Leben funktioniert im Vergleich zu dem, was auf der Bühne zu sehen war.“Ein Dinosaurier der alten Schule? König: „Kann man so sagen.“Sprenger: „Nein! Ich bin durchaus modern. Damit meine ich Textgenauigkeit, die Sicht auf die Figuren nicht mit Bildern und Regiegags zuschmeißen. In mühevoller Detailarbeit Klassiker vom Staub befreien, das ist meine Aufgabe als Diener des Dichters.“Das bedeutet: Dezentes Verheutigen (Kostüme, Gesten, Musik), ästhetisches Distanzieren. Klare, strenge, nüchterne, fast mathematisch präzise Inszenierungen.

„Genauigkeit, diszipliniertes Agieren in einem dichten Netz von Handlungsanweisungen“, das ist Sprenger als Rettungsanker gegen Stimmungsschwankungender Darsteller wichtig. Und wie sprechen sie über Castorf & Co.? König: „Dieser Zynismus, diese aufgesetzten Witzchen, dieser ganze Quatsch langweilt mich. Als ich anfing, habe ich auch wilde Inszenierungen gemacht. Jetzt habe ich keine Lust mehr auf pubertäres Zeug.“Sprenger: „Ich finde es arrogant und in Zeiten größter Geldnot falsch, den Zuschauern, die das Stück nicht kennen, nur Scherben hinzuknallen.“

Wird aus Protest gegen die modische Zertrümmerei noch werkgetreuer gearbeitet? König: „Nö, aber ich suche noch konsequenter nach Wahrhaftigkeit, Natürlichkeit bei den Schauspielern.“Sprenger: „Ich versuche immer purer den Text hörbar zu machen und kann übertriebenes Spiel nicht mehr ertragen.“Selbst in der Sicht auf ihre Bremer Inszenierungen sind sich die Regisseure einig. König: „Vor 15 Jahren, als ich gerade aus dem Osten kam, habe ich in Düsseldorf ,Leonce und Lena' inszeniert als Abrechnung mit meinen ersten Eindrücken von den übersättigten, larmoyanten, älteren Kö-Typen. Jetzt zeige ich sympathische Jugendliche und ihren verständlichen Haß auf das nicht ihren Vorstellungen entsprechende Leben. Keine Komödie.“Sprenger: „Der Menschenfeind ist ein sympathischer junger Mensch, der an der ganz und gar nicht schönen Welt verzweifelt. Ein todtrauriges Stück.“Depressivelnde Klassiker-Premieren? Jetzt wird's spannend!

Jens Fischer

Premieren: „Der Menschenfeind“am 13.3., 19.30 Uhr am Goetheplatz; „Leonce und Lena“am 22.3., 20 Uhr, Schauspielhaus

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