: Masurischer Stein im Koffer
■ Künstleraustausch mit Chicago aus Privatinitiative
Seit 1994 besteht zwischen dem Großdorf Hamburg und der Metropole Chicago eine Städtepartnerschaft. Doch nach der feierlichen Akklamation zwischen den Bürgermeistern ist bisher aus künstlerischer Sicht nur wenig geschehen; noch gilt es, die transatlantische Partnerschaft wachzuküssen.
Damit diese nicht zu einer drögen Kurzmeldung in den Gelben Seiten verkümmert, haben Sabine Moor und Juro Grau vom Künstlerhaus Weidenallee sowie Dieter Fieg eine Einladung zu einem sechswöchigen Atelieraufenthalt in Chicago wahrgenommen, der finanziell von der Hamburger Kulturbehörde gefördert wurde. Zudem reisten im Frühjahr dieses Jahres zehn Hamburger „Kulturexperten“ zwecks vertiefenden Gedankenaustausches zu einem vom Goetheinstitut organisierten Symposium nach Chicago.
Unabhängig von derartig offiziellen Terminen begab sich die Hamburger Künstlerin und Kaifu-Art-Center Mitglied Ragna Jürgensen zur eigenen Pionierarbeit gen West. Und siehe da, innerhalb kürzester Zeit initiierte sie einen weiteren Künstleraustausch zwischen beiden Städten. Schon im April 1994 knüpfte sie erste Kontakte mit Künstlern in Übersee, die an einer Zusammenarbeit mit der selbstverwalteten Kultureinrichtung in Hamburg interessiert waren. Das Ergebnis: Im Austausch mit dem Chicagoer Künstlerverein Near North West Arts Council, kurz N.N.W.A.C., werden Künstlern Atelierräume in der jeweils anderen Stadt zeitweise überlassen.
Als erster Scout ist momentan das Kaifu-Gründungsmitglied Siggi Komorowski in Chicago. Der im polnischen Masuren aufgewachsene Maler und Skulpturist hat dabei einen masurischen Stein im Gepäck, den er im amerikanischen Mittelwesten als Zeichen der Verbundenheit überreicht. „Ich weiß zwar überhaupt nicht, was mich da erwartet, doch werden die dortigen Begegnungen sicherlich neue künstlerische Impulse bringen“, ist sich Komorowski sicher.
Begleitet wird Komorowski von Ragna Jürgensen, die schon länger mit der drittgrößten Stadt der USA liiert ist. Vor sechs Jahren studierte sie im Rahmen eines Austauschstudiums am School Of The Art Institute Of Chicago. „Seit dieser Zeit schwirrt mir schon die Idee eines internationalen Austausches vor“, freut sich Jürgensen über das jetzige Projekt.
Bemerkenswert ist, daß den Chicagoer Künstlern für das angeleierte Austauschprogramm finanzielle Unterstützung von ihrem städtischen Kulturamt zugesagt wurde. Angesichts der ansonsten passiven Rolle der Chicagoer Kommune gegenüber kulturellen Aktivitäten zeigt dies, wie ernst Chicago die neue Partnerschaft nimmt. Ob von Hamburger Seite eine ähnlich unkomplizierte Haltung auch möglich ist?
Dierk Jensen
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