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Spökenkiekerei

■ „Moorkatenoper“feierte im Waldau Theater Premiere

„Kulturschock“ist kein schönes Wort. Deutet es doch darauf hin, daß sich etwas Ungewöhnliches zugetragen hat. Nehmen wir zum Beispiel den Besuch der „De Moorkatenoper“im Bremer Waldau Theater. Wir sehen eine ärmliche Hütte des Moorbauernpaares Matten und Sophie Fischmeyer – im Teufelsmoor der Jahrhundertwende. Wir hören sie plattdeutsch singen. Manchmal schimpfen sie auch, wenn der böse herrschende Jagdbaron kommt. Oder sie schneiden Zwiebeln, „Zippeln“, und stimmen das „Zippel, Zippel-Lied“an. Wir bekommen Zahnweh dabei. Das restliche Publikum dagegen klatscht, amüsiert sich, ältere Damen lächeln zufrieden.

Was sollen Kulturschockierte also tun gegen eine Masse, die sich in ihrer Liebe zum niederdeutschen Sprach- und Kulturgut so seltsam und einstimmig vereint? Die gekommen ist, um Heinrich Schmidt-Barrien eine letzte Ehre zu erweisen? Nun, sie können zum Beispiel lernen, daß sich jener Schmidt-Barrien sehnlichst gewünscht hatte, die „Moorkatenoper“wenigstens ein einziges Mal in Bremen zu zeigen. Diesen Wunsch hat ihm das Waldau Theater jetzt erfüllt – und sie nach seinem Tod im Dezember 1996 kurzerhand auf den Spielplan gesetzt.

Schließlich hat der bekannte niederdeutsche Dichter und lange am Waldau-Theater wirkende Schmidt-Barrien die bayrische „Grattleroper“von Gehard Loew und Musik von Peter Michael mühevoll ins Niederdeutsche übersetzt – weil er so begeistert von dem Original war. Über 300mal wurde die Grattleroper nahe München in einer kleinen Wirtshausbühne aufgeführt – und in Liebhaberkreisen gar als „Kultstück“gefeiert.

Es scheint faszinierend für Schmidt-Barrien gewesen zu sein, daß Personen und Handlung so einfach gestrickt sind, „daß ich mir sofort sagte, das müßte sich in plattdeutscher Sprache besonders gut machen. Handelt es sich doch um ein Stück über Wilderei, Spökenkiekerei, krumme Geschäfte, Angeberei und Liebeswerben, welches Lachen, Rührung, Spannung, Unterhaltung und vor allem auch musikalisches Vergnügen bereitet.“

Mit dieser Analyse sollte Schmidt-Barrien recht behalten. Das jedenfalls hat die Bremer Premiere gezeigt. Wohlwollend wird das ebenso simpel gestrickte wie auch auf der Bühne umgesetzte Moritat in drei Akten mit Klatschen begleitet: Es geht um den Moorbauerssohn Fritz, der erschossen im Wald aufgefunden wird. Mutter Sophie spielt sofort die Leidende („Miin armer Fritz. Warum ist das Leben so scharf?“, singt sie unter Tränen, während sie die ebenso scharfen Zwiebeln schält). Vater Matten gibt sich schicksalsgläubig („Is alltieds all so ween, dat de Lütjen draben möt ... und de Groten de kamt dorvon...“, singt er mit Grabesstimme). Aber da ist ja noch Tochter Maleen, die Revoluzzerin, entschlossen den Tod als Mord durch die Jäger des herrschenden Jagdbarons zu entlarven. Ein böser Guts- und Forstverwalter muß auch noch her (dröhnend bellt der beleibte Herr das Moorkatengör Maleen an und wedelt mit seinem Spazierstock). Und ein Witzbold zum Lachen: Schabulinski, dem Zigeuner, Scherenschleifer und Kesselflicker, ist diese Rolle vorbehalten. Er schüttelt sein schwarzes Haar, wirft beim Singen zackig die Beine aneinander und rollt das R, das es eine wahre Freude ist.

Da sind die Einordnungen klar. Mitleid mit den Geschundenen aber auch Bewunderung für die Mutigen (Tochter Maleen) stellen sich ein. Alles ist irgendwie Schicksal. Die „Moorkatenoper“würzt dieses Trauerspiel noch mit einer gehörigen Portion Sozialkritik. Aber wie das Leben so spielt, es wendet sich am Ende alles zum Guten, und die Gescholtenen können der Obrigkeit noch ein Schnippchen schlagen: Zigeuner Schabulinski und gleichzeitig guter Freund von Fritz braut ein „Rachewasser“, denn „Rache sein süß“, behauptet der Schelm, der den ganzen Spuk schließlich vertreibt. Das einzige etwas skurrile Element an diesem volkstheaterdeutschen Abend.

„Was also lernen wir daraus?“, fragt sich der einsame Gast, dem noch das letzte Lied in den Ohren schwirrt, während sich die anderen Gäste beschwingt auf den Heimweg machen. Schließlich jazzte und rockte die Moorkaten-Jazzband mit Piano, Klarinette, Bass, Gitarre und Schlagzeug wirklich grandios, befand der Gast im WaldauTheater und hat deshalb nur eine banale Antwort parat: Plattdeutsches Volkstheater ist und bleibt eben Geschmackssache.

Katja Ubben

„De Moorkatenoper“läuft normal im Programm statt „Der Widerspenstigen Zähmung“

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