: Mit Klammern und Schubsen
Dank einer starken zweiten Halbzeit rettet der THW Kiel im Halbfinal-Hinspiel des Handball-Europacups ein 23:23-Unentschieden gegen Zagreb ■ Von Kai Rehländer
Hamburg (taz) – Es gibt noch keine Untersuchung darüber, was Einmarsch-Musik bei den jeweiligen Kontrahenten bewirken kann. Graciano Rocchigiani brachte es bekanntlich kein Glück, als er bei seinem Kampf gegen Henry Maske mit der Musik aus dem Western-Klassiker „Spiel mir das Lied vom Tod“ die Arena betrat. Mit weitaus dezenteren – aber gleichwohl ebenso aussagekräftigen – Klängen betrat die Handball- Equipe von Badel Zagreb am Sonnabend nachmittag die Alsterdorfer Sporthalle in Hamburg. Die Titel-Melodie von „Mission: Impossible“ sollte die Spieler des THW Kiel daran erinnern, daß nur ein Team dieses Halbfinales das Endspiel der Champions League erreichen kann – und daß es wohl nicht die „Zebras“ aus Schleswig- Holstein sein werden.
Denn die Voraussetzungen für die Kieler waren schon vor der Begegnung denkbar schlecht. Die heimische Ostseehalle war durch eine Ausstellung belegt; einen Ausweichtermin hatten die Verantwortlichen von Badel Zagreb nicht akzeptiert, so daß die Begegnung nach Hamburg verlegt werden mußte. Hinzu kam eine formidable Formkrise der Norddeutschen, die in der Bundesliga dafür gesorgt hat, daß der Titelverteidiger und Meisterschaftsaspirant sich plötzlich nur noch auf dem sechsten Rang wiederfindet, der für die Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb nicht ausreicht. Ausreden waren vor dem Spiel also genügend vorhanden, zumal Badel Zagreb fünf Spieler aus der Mannschaft des Olympiasiegers Kroatien in seinem Kader hat. Alles Gründe dafür, daß der THW sein kalkuliertes Ziel, „mit einem Vorsprung von fünf bis sechs Toren zum Rückspiel nach Zagreb zu reisen“ (Manager Uwe Schwenker) eigentlich gar nicht erreichen konnte.
Doch Zvonimir „Noka“ Serdarusic, Kiels Trainer, analysierte das 23:23 überraschend anders: Die Unparteiischen seien am Unentschieden schuld, befand der Übungsleiter. „Wenn diese Schiedsrichter im Rückspiel für uns genauso pfeifen, wie sie das heute für den Gegner getan haben, gewinnen wir in Zagreb mit acht Toren.“ Eine interessante These, die eher pädagogisch, als Motivation für sein Team, verstanden werden darf, denn als Resümee eines Spieles, in dem die Kieler sich allenfalls in der zweiten Halbzeit als ebenbürtiger Gegner für den kroatischen Meister erwiesen hatten. Im ersten Durchgang war Zagreb in allen Punkten überlegen.
Mit Klammern und Schubsen, auch als „internationale Härte“ bekannt, wurde das Angriffsspiel der Kieler bereits im Ansatz gestört. Den Ballwerfern aus Schleswig- Holsteins Metropole wurde verdeutlicht, daß körperliche Überlegenheit und mannschaftliche Geschlossenheit mehr zählen, als hübsche Individualleistungen. Bereits nach einer Viertelstunde lag der THW mit 2:7 zurück, und es wurde merklich stiller in der mit 4.500 Zuschauern, davon etwa 300 Kroaten, ausverkauften Alsterdorfer Sporthalle. „Wir sind übermotiviert in das Spiel gegangen“, resümierte Coach Serdarusic diese Spielphase, in der nicht einmal die Siebenmeter verwandelt werden konnten und die Kroaten sogar in Unterzahl zwei Tore warfen.
Die Stimmung besserte sich erst, als die Zuschauer nach ihrem Pausenbier wieder auf ihren Sitzen Platz nahmen. Plötzlich schien das Rückraumspiel der Kieler zu funktionieren, der Vorsprung der Zagreber verringerte sich zunehmend. Doch erst in der Schlußphase gelang den Kielern der Ausgleich, in der vorletzten Spielminute gingen sie sogar erstmals in Führung, die allerdings sofort zum Endstand von 23:23 egalisiert wurde. Eine beeindruckende Leistungssteigerung, besonders von Staffan Olsson (acht Treffer) und Wolfgang Schwenke (vier Treffer), die allerdings nicht verbergen konnte, daß auch in dieser Phase Badel Zagreb über die modernere Spielanlage und mit Zvonimir Bilic den herausragenden Einzelakteur verfügte.
Im Rückspiel in Zagreb muß der THW Kiel vor einer Kulisse von 13.000 Zuschauern spielen. Wenn sich diese so lautstark und euphorisiert gebärden wie die Fußball-Hool-gleichen Kroaten in der Alsterdorfer Sporthalle, ist die Mission Europacup-Finale wirklich „impossible“.
Badel Zagreb: Bilic (8), Cavar (7/3), Goluza (3), Galic (2), Jovic (2), Dzomba (1)
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