Kein Pardon für Internet

■ Frühere PDS-Politikerin Marquardt wegen „radikal“-Verbindung angeklagt

Berlin (taz) – Die Staatsanwaltschaft des Amtsgerichts Berlin- Tiergarten hat abermals ein Verfahren gegen Angela Marquardt eröffnet. Der früheren stellvertretenden PDS-Vorsitzenden wird nun vorgeworfen, „unbefugt wesentliche Teile“ einer Anklageschrift aus einem Verfahren gegen sie im Computernetzwerk Internet veröffentlicht zu haben.

Bereits seit dem 9. Dezember ist Marquardt unter anderem wegen „Billigung von Straftaten“ angeklagt: Sie hatte auf ihrer Homepage, einer Art elektronischer Internet-Visitenkarte, eine Verbindung („Link“) zur Online-Ausgabe der hierzulande verbotenen Zeitschrift radikal. Darüber kann man durch einen Mausklick in einen Amsterdamer Computer gelangen, auf dem die aktuelle Ausgabe der radikal gespeichert ist.

Die Staatsanwaltschaft beurteilt dies als Verbreitung von radikal – eine Meinung, die vom auf Online- Recht spezialisierten Anwalt Michael Schneider bestritten wird: „Der Inhalt der Anklageschrift erscheint mir haltlos. Er verkennt die Funktionsweise des Internet.“ Die Anklageschrift hatte Marquardt per Homepage zugänglich gemacht – für die Staatsanwaltschaft eine verbotene „Veröffentlichung“ im Sinne des Strafgesetzbuchs. Nach Paragraph 353d muß mit Freiheitsentzug bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe rechnen, wer „die Anklageschrift eines Strafverfahrens öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden“ ist.

Auch das Schreiben, in dem die Staatsanwaltschaft mitteilt, daß gegen sie wegen „verbotener Mitteilung über Gerichtsverhandlungen“ ermittelt wird, ist nun auf Marquardts Homepage nachzulesen. Der Prozeß wegen des „Radi- Links“, der unter „Internet“-Experten als Präzedenzfall gilt, wird nach Auskunft der Pressestelle des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten im Juni eröffnet. Tilman Baumgärtel