: Erster Akt eines Putsches in Zaire
Das von der zivilen Opposition beherrschte Parlament setzt Premierminister Kengo ab, bietet den AFDL-Rebellen Verhandlungen an und reklamiert die Unterstützung des Militärs ■ Von Dominic Johnson
Berlin (taz) – In Zaires Hauptstadt Kinshasa hat die Suche nach einem Ausweg aus den Trümmern des Mobutu-Regimes begonnen. Das Parlament erklärte am Dienstag abend Premierminister Kengo wa Dondo, der gerade zu einem regionalen Gipfeltreffen nach Kenia geflogen war, für abgesetzt. 445 von 464 anwesenden Abgeordneten des 738köpfigen Gremiums stimmten für die Entlassung des Ministerpräsidenten, der seit Beginn des zairischen Bürgerkrieges im vergangenen Oktober sowohl bei Hardlinern des Regimes wie auch bei den Rebellen der „Allianz demokratischer Kräfte zur Befreiung von Kongo/Ex-Zaire“ (AFDL) unter Laurent-Désiré Kabila zur Haßfigur geworden ist.
Die Absetzung sei „per Konsens“ erfolgt, sagte Parlamentsdirektor Mbu Ebuta. Als nächstes erfolge „so bald wie möglich die Nominierung eines neuen Premierministers, der das Vertrauen des Volkes hat und fähig ist, Verhandlungen mit Kabila zu führen“.
Zum ersten Mal haben damit die zivilen Oppositionsparteien in Zaire in die Krise des Landes eingegriffen. In den letzten Jahren haben sie versucht, die Macht Mobutus auf politischem Wege zu beschränken, aber sie haben außer der Gewinnung einer Mehrheit in einem nahezu machtlosen Übergangsparlament nichts erreicht. Nun versuchen sie offenbar den Umsturz in Kinshasa, um die Mobutu-Anhänger zu marginalisieren und eine eigene Verständigung mit den AFDL-Rebellen herbeizuführen. Die wichtigste Oppositionspartei, UDPS („Union für Demokratie und sozialen Fortschritt“) unter Etienne Tshisekedi, rief vor wenigen Tagen die AFDL auf, „gemeinsam die Diktatur auszulöschen“. Es ist ein offenes Geheimnis in Zaire, daß UDPS-Chef Tshisekedi am liebsten selbst Premierminister oder gar Präsident des Landes wäre.
Die Armee war mit dem Premier unzufrieden
Nicht klar ist, welche Unterstützung die Oppositionsparteien haben. Die Betreiber der Absetzung Kengos haben gesagt, sie hätten die Unterstützung der Armee, und forderten das Militär zur Besetzung der Zentralbank in Kinshasa auf, die als Bastion Mobutus gilt. Eine Reaktion der Militärführung selbst gibt es aber nicht. Bekannt ist jedoch, daß die Armeechefs mit dem abgesetzten Premier Kengo unzufrieden waren und ihn für die Kette militärischer Rückschläge im Kampf gegen die Rebellen verantwortlich machten. Erst am letzten Wochenende erlitt Zaires Armee ihre bisher schwerste Niederlage, als sie das strategisch wichtige Kisangani an die Rebellen verlor – drei Tage nachdem Premierminister Kengo getönt hatte, die Stadt werde niemals fallen. Aus dem Verlust Kisanganis zog Kengos Kabinett keinerlei Konsequenzen. Bei einer Sondersitzung am Montag wurde lediglich der Minister für öffentliche Arbeiten entlassen, weil er Unterschlagungen von Staatsgeldern durch andere Regierungsmitglieder öffentlich kritisiert hatte.
Nachdem die Kengo-Regierung die Niederlage von Kisangani ignoriert hat, erkennt sie auch jetzt die sich verändernde politische Situation nicht an. Die Absetzung des Premierministers sei „Theater“, mokierte sich Kommunikationsminister Lambert Mende. Regierungssprecher Jean-Claude Bie Bie nannte sie „verfassungswidrig“, da das vorgeschriebene Abgeordnetenquorum nicht erreicht worden sei und es außerdem kein Mißtrauensvotum gegen Kengo gegeben habe. Bie Bie machte für den Sturz der Regierung das Militär verantwortlich: „Wer das Gewehr hat, hat die Macht, und die ganze Sache klingt nach Militär.“
Zumindest für die bisherige Regierung ist also ein Bündnis zwischen der mobutufeindlichen parlamentarischen Opposition und der Armee in Zaire längst Realität. Für die Rebellen der AFDL könnte genau dies der Grund sein, das neue Manöver in Kinshasa abzulehnen. „Wir werden jedes Regime bekämpfen, das aus einem Putsch hervorgeht“, warnte AFDL-Führer Kabila am Dienstag. Und zur Absetzung Kengos sagte AFDL-Informationsminister Raphael Ghenda gestern: „Das verändert überhaupt nichts.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen