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Harte Regeln für Härtefälle

Fünf Kinder sind angeblich zu teuer: Die kurdische Familie Kutlu soll nach neun Jahren aus Hamburg abgeschoben werden  ■ Von Elke Spanner

Wenn die Härtefallregelung zur Härte wird: Aus dem familienfreundlichen Deutschland soll die kurdische Familie Kutlu nach neun Jahren abgeschoben werden – weil sie zu viele Kinder hat. Die Hamburger Ausländerbehörde lehnte eine Anerkennung nach der „Härtefallregelung für Ausländer mit langer Aufenthaltsdauer“, auch Altfallregelung genannt, ab. Nun kann nur noch der Petitionsausschuß der Bürgerschaft die Vorschrift wieder so auslegen, wie sie heißt: als Härtefallregelung.

Dabei begann es für die Kutlus eigentlich ganz verheißungsvoll. Als die Konferenz der Innenminister von Bund und Ländern (IMK) vergangenen März die Altfallregelung einführte, also das Bleiberecht für ausländische Familien, die sich schon vor 1990 im Bundesgebiet aufhielten, tat sich für die kurdische Familie ein Lichtblick auf. Seit 1988 lebt sie in Wilhelmsburg. Acht Jahre Asylverfahren hatte sie bereits hinter sich. Dann das Schreiben der Behörde: Für die Familie könnte die Altfallregelung gelten. Um die dafür notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, besorgte ein Bekannter eine Wohnung und damit „ausreichenden Wohnraum“. Ein Bauunternehmer sicherte Vater Ahmed Kutlu eine Stelle zu, damit er den Lebensunterhalt der Familie ohne Sozialhilfe bestreiten kann. Außerdem verdient die Mutter monatlich rund 600 Mark netto dazu. Und die Familie zog zudem die noch laufende Klage auf Asyl zurück.

Doch dann kam die Ablehnung des Amtes. Die Begründung: Das Einkommen der Eltern reiche nicht aus. Denn sie hätten fünf Kinder, und der Sozialhilfesatz für die ganze Familie liege über dem, was Vater und Mutter zusammen verdienten. Während sie auf rund 2500 Mark netto kommen, fordert die Ausländerbehörde 3780 Mark.

Trotz ihres geringen Einkommens könnte die Familie ohne Sozialhilfe auskommen, meint ihr Anwalt Christian Rahn. Denn würden die Kutlus als Härtefall anerkannt, könnten sie Wohn- und Kindergeld in Höhe von 1440 Mark beziehen. Doch mögliches Kindergeld rechnet die Ausländerbehörde bei der Entscheidung über die Anerkennung nicht mit ein – und macht den Kutlus somit ihren Kinderreichtum zum Verhängnis. Der IMK-Beschluß wird in Hamburg nach Weisung der Behörde für Inneres umgesetzt. 46 Aufenthaltsbefugnisse wurden 1996 erteilt. Weil ein Gericht nicht gegen Dienstanweisungen der Behördenspitze vorgehen könne, lehnte das Verwaltungsgericht die Klage der Kutlus ab. Für Rahn ist klar, daß die Weisung geändert werden muß. „Je mehr Kinder da sind, desto unwahrscheinlicher wird die Anerkennung. Ein ungelernter Arbeiter kann nicht mehr verdienen, und bei fünf kleinen Kindern kann die Frau nicht voll mitarbeiten“. Der Sprecher der Ausländerbehörde, Norbert Smekal, knapp: „Die geforderte Praxisänderung ist rechtlich ausgeschlossen.“

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