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Aus dem Safe von Männerbündlern

■ Silber aus Riga im Roseliushaus: Die „Compagnie der Schwarzen Häupter“öffnete ihre Schatzkammer

Vor Zeiten versuchten die Bremer Jäger nach dem kulturellen Event, mit dem „Gold aus dem Kreml“ein teures Schnäppchen zu machen. Inzwischen geben sich die HansestädterInnen bescheidener. Schlicht Silber aus Riga ist ab Sonntag im Roselius-Haus in der Böttcherstraße zu beschauen. Allerdings stammt es gar nicht direkt aus der lettischen Hauptstadt. Und die Ausstellung gibt mit ihrem genauen Titel „Der Silberschatz der Compagnie der Schwarzen Häupter aus Riga“ein Bündel geradezu goldwerter Rätsel auf.

Klas Lackschewitz weiß Antworten. Mit einem silbernen Mohrenkopf am Revers, ist er ein Mann, der ganz auf Traditionen baut. Der Kapitän a.D. fungiert heuer als „Ältermann der Compagnie der Schwarzen Häupter“. Der Männerbund zählt noch 18 über die weite Welt verstreute Mitglieder im Alter von 35 bis 75 Jahren, die sich seit Verlegung des Compagnie-Sitzes nach Bremen anno 1980 Jahr für Jahr zum Brudermahl im Schütting am Markt treffen.

Wo Compagnie draufsteht, ist ein bißchen Verbindungsmuff drin: „Jedes neue Mitglied muß sich mit der deutsch-baltischen Geschichte und unserem Habitus absolut identifizieren“, sagt Lackschewitz. Und dieser Habitus scheint aus jeder Menge Kameradschaftswitz zu bestehen, wenn man den Ältermann und den ebenfalls der Compagnie angehörenden Historiker Hans-Albrecht Koch so reden hört. „Wir pliggern“, sagt Koch – zu deutsch: sie necken einander, und das schon seit Jahrhunderten.

Die erste urkundliche Erwähnung der Compagnie datiert auf das Jahr 1416. Kaum 200 Jahre nach der – übrigens von BremerInnen vollzogenen – Gründung der Stadt Riga formierten sich die jungen und unverheirateten Kaufleute in dieser Gilde. Den Namen „Schwarze Häupter“leiteten die Gründer vom Heiligen Mauritius, einem Schwarzafrikaner, ab, der sich bei einer ChristInnenenverfolgung imdritten Jahrhundert geweigert haben soll, gegen Glaubensbrüder und -schwestern zu kämpfen. Die Pflege von Kranken stand den Compagnisten genauso auf dem Pflichtprogramm wie die Verteidigung der Stadt; den Küranteil besorgte das Brudermahl, zu dem nach Angaben Hans-Albrecht Kochs „alle Waffen abgegeben werden mußten – mit Ausnahme der Zunge“. Bei der Heirat traten die Mitglieder aus der Compagnie aus und in die Kaufmannsgilde ein, und manche von ihnen zeigten sich bei solchen Anlässen spendabel.

Ein Silberschatz kam so zustande. Er hat den Krieg unbeschadet überstanden, obwohl seine Irrfahrten fast genauso bändefüllend wären wie die Geschichte der deutschstämmigen BaltInnen selbst. Rund 40 Stücke lagern seit einigen Jahren – der symbolischen Verbindungen zwischen Riga und der Hansestadt an der Weser wegen – in Bremen. Für die Ausstellung sind ein Dutzend Silberwerke aus Darmstadt hinzugekommen, so daß der größte Teil des Schatzes jetzt erstmals für eine öffentlich zugängliche Ausstellung zusammengetragen wurde. Ihren Wert bezeichnen die Herren Compagnisten als „unschätzbar“, weil es sich größtenteils um Unikate handelt.

Die immer wieder mit Mauritius-Profil versehenen Pokale, Tabletts, Kannen oder Reliquare wurden zwischen dem 16. und dem 20. Jahrhundert angefertigt – die prunkvollsten unter ihnen im 17. und 18. Jahrhundert. Wie die Leiterin der Kunstsammlungen Böttcherstraße, Maria Anczykowski, erklärt, gab es keinen Sammelplan. Die Objekte wurden je nach Geschmack und Vermögen gestiftet. Ein Pokal, der sogenannte Amizizia-Pokal, ist noch heute in Gebrauch und wird – mit Champagner gefüllt – bei den Brudermahlen herumgereicht. Champagnerperlen sind hinter dem Vitrinenglas allerdings nicht mehr zu erkennen.

Christoph Köster

Silberschatz bis 1.6., Eröffnung Sonntag um 11.30 Uhr

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