■ Press-Schlag: Ein Automechaniker schraubt auf dem Eis
Er mußte vor seinem ärgsten Konkurrenten Todd Eldredge auf das Eis in der Lausanner Sporthalle. Elvis Stojko mußte also alles wagen. Er wußte, mit einem dreifachen Axel allein würde er das Preisgericht nicht auf seine Seite ziehen. So mußte er ihn riskieren – den vierfachen Toeloop. Nur einmal zuvor hatte er ihn in einer Konkurrenz gestanden. Der Beifall rauschte kräftig, als der mit seinen kaum 1,60 m Körperlänge fast zwergenhafte Kanadier schließlich diese Höchstschwierigkeit ohne Wackler aufs Eis zirkelte. Danach folgten noch hier ein Rittberger, dort ein Lutz, ein Salchow und ein zweiter Axel. Alles dreifach, leicht, sicher und bis auf den Lutz auch makellos rutschfest. Eldredge nach ihm schien seine Nerven zu behalten. Am Ende strauchelte er doch beim dreifachen Axel: So konnte das Kind osteuropäischer Einwanderer, der seinen Namen der elterlichen Vorliebe für die Musik Presleys verdankt, zum drittenmal Weltmeister im Eiskunstlaufen der Männer werden.
Ein würdiger, weil nicht szenetypischer Titelträger: Stojko (24) hebt sich angenehm ab von all den ramschigen Bajazzi sowjetischer Provenienz. Er muß keinen goldenen Operettenstreifen auf dem Kostüm tragen, um zu gefallen. Olympiasieger Alexei Urmanow, der ödeste unter den eisspringenden Rüschenträgern, hatte am Donnerstag schon vor der Kür gekniffen – wegen einer Knieverletzung. Stojko, äußerlich mit seiner gedrungenen Gestalt daran erinnernd, daß auch Automechaniker mit Nackenspoilerfrisur ihre künstlerischen Seiten zu Eise tragen können, kam ohne Pailletten daher. Seine Musik – schlicht; seine Armbewegungen – sparsam; sein Lächeln – bezaubernd schüchtern; seine Freudenbekundung mit geballter Faust – glaubwürdig.
Das machte den Triumph rund. Nächstes Jahr bei den Olympischen Spielen haben sowohl Stojko als auch Eldredge die Chance, Gold zu ernten. Stojko wird am meisten riskieren: Auch dieses hätte er verdient. JaF
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