Beidseitige Blockaden

■ Steuerdebatte im Bundestag: SPD und Koalition warfen sich Obstruktion vor

Bonn (dpa) – Die Fronten zwischen Koalition und SPD bei der großen Steuerreform haben sich infolge der gegenseitigen Gesprächsabsagen gestern auch im Bundestag wieder verhärtet. In der hitzigen Debatte zum ersten Teil der von der Koalition vorgesehenen Steuerreform forderte Finanzminister Theo Waigel (CSU) die SPD auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

SPD-Fraktionschef Rudolf Scharping erklärte zwar das Interesse seiner Partei an der Fortsetzung dieser Beratungen, aber nur unter der Bedingung, daß es noch zu der von Bundeskanzler Helmut Kohl zurückgewiesenen Spitzenbegegnung mit SPD-Chef Oskar Lafontaine komme. „Ich fordere Sie auf, diese politische Verhandlungsgrundlage zu schaffen“, sagte Scharping. Unerwähnt ließ er nicht, daß auch ohne Spitzengespräche die SPD um Zustimmung gebeten werden müsse, weil sie im zustimmungspflichtigen Bundesrat die Mehrheit habe. Waigel wandte sich gegen jede Vorbedingung und erklärte: „Wir hoffen, die SPD ergreift unsere ausgestreckte Hand im Interesse der mehr als vier Millionen Arbeitssuchenden.“

Dabei setzt die Koalition auf Vorzieheffekte bei den Investitionen. Die erste Lesung betraf den Gesetzentwurf für 1998, bei dem es neben der Senkung des Solidarzuschlags von 7,5 auf 5,5 Prozent auch um einen Zwischenschritt von Steuersatzsenkungen für die Unternehmen ging.

Die SPD betonte die noch großen Differenzen auf dem Weg zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Die Koalition hob dagegen das Verbindende wie die Entlastung für Unternehmen hervor, zeigte aber bei den Einzelheiten wie beim privaten Spitzensteuersatz kaum Bewegung. Grüne und PDS forderten unter anderem die Erhöhung des Kindergeldes auf 300 Mark für jedes Kind.

Alle Oppositionsgruppen äußerten sich empört über die von Waigel ungeklärte Lücke von 56 Milliarden Mark, die sein Steuerreformgesetz 1999 aufreiße.