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Fremdwort Arbeitszeit-Kontrolle

■ Seit Jahren ringen Bremens Behörden um die elektronische Zeiterfassung / Nun soll es doch ein zentrales System sein

Als Ergebnis langwieriger Verhandlungen wurde sie im April 1995 fertig, die „Dienstvereinbarung“über die elektronische Erfassung der gleitenden Arbeitszeit. Wir schreiben März 1997, am Dienstag will sich der Senat noch einmal damit befassen – irgendwie wurde die Zeiterfassung nämlich nicht umgesetzt.

An jedem Behördeneingang eine elektronische Stechuhr, so war die einfache Idee, per Computer sollte die gleitende Arbeitszeit erfaßt und damit kontrolliert werden. Ohne besonderen Verwaltungsaufwand sollten die Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes, soweit möglich, ihre Präsenz am Schreibtisch flexibel nach Arbeitsanfall und nach persönlichen Gesichtspunkten gestalten dürfen. In seinen Finanzbehörden hat der Finanzsenator die Stechuhr vorbildlich eingeführt, der Innensenator zog nach, aber dann ist auch bald schon Ende mit der Erfolgsbilanz. Strikt gewehrt hat sich vor allem das Rathaus, aber auch grundsätzliche Bedenken kamen.

Denn der Eigenbetrieb Bremer Kommunikationstechnik (BreKom) hatte ein dezentrales Server-Modell verfolgt und dafür die Ausschreibung organisiert , pro Dienststelle machte das einen Rechner. Gesamtkosten: Sieben Millionen Mark. Irgendwie muß jemandem aufgefallen sein, daß in unseren Zeiten auch per Kabel verschiedene Endgeräte (in unserem Fall Stechuhren) mit einem Rechner verkabelt werden können. Das ist nicht nur preiswerter. Wenn Mitarbeiter A zu Dienstbeginn im Gebäude B zu tun hat, kann er dann auch einfach dort einchecken. Ein zentraler Rechner scheint außerdem praktischer.

Ein anderer bremischer Eigenbetrieb, die ID Bremen entwickelte also die Idee, einen zentralen Rechner zu benutzen. Kostenersparnis: fast 40 Prozent – wenn nicht schon einige dezentrale Rechnersysteme angeschafft worden wären.

Ein anderes Problem hatten die Behördenvertreter auch mit der Dienstvereinbarung von 1995. Da war nämlich der häufiger auftretende Fall, daß die elektronisch erfaßten Arbeitszeiten per Hand korrigiert werden müssen, recht kompliziert geregelt. Angenommen, ein Behördenmitarbeiter hat morgens um 8.30 Uhr einen Termin außerhalb „seiner“Dienststelle und seiner elektronischen Stechuhr. Er kommt um 11 Uhr zur Arbeit, der Computer erfaßt: Arbeitsbeginn 11 Uhr. Nun möchte der Kollege den Computer korrigieren und sagen, daß er eigentlich schon ab 8.30 Uhr im Dienste des Landes unterwegs ist.

Nach der Dienstvereinbarung von 1995 sollen die Personalstellen die elektronische Einbuchung korrigieren, falls das beantragt wird. Das hätte aber in bestimmten Bereichen viel zusätzliche Arbeit, also Kosten, bedeutet. In mühsamen Verhandlungen „mit Mitgliedern des Gesamtpersonalrates“wurde deshalb die alte Dienstvereinbarung nun geändert: Urlaub, Krankheit, Dienstbefreiung, Dienstreisen, Termine außerhalb der Dienststelle – alles sollen die Beschäftigten nach dem neuen Modell nun selbst in den Computer eingeben. Nur manuelle Änderungen elektronisch erfaßter Buchungen sollen unmöglich sein.

Zu dieser Neuerung stellt der Senator für Inneres treffend fest: Wer überprüft denn nun das, was die Bediensteten selbst per Hand zusätzlich zu den elektronischen Informationen eintragen? Eigentlich niemand. Wenn es aber keine Kontrolle durch das elektronische System gibt, könnte man vielleicht nicht die derzeit geltende Selbsterfassung per Hand einfach bestehen lassen?

Nun ist das neue zentrale Modell aber mit dem Personalrat ausgehandelt, da ist kaum noch etwas daran zu ändern. Nachdem der Senat den Beamten die 40-Stunden-Woche aufgebrummt hat, sind die Personalvertreter eh nicht auf Kompromiß gestimmt. So kommen, wenn der Senat am Dienstag das zentrale Modell beschließt, die derzeit laufenden dezentralen Systeme auf die Computer-Müllhalde. Vorausgesetzt, der 97'er Beschluß wird nicht so schleppend umgesetzt wie der 95'er. K.W:

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