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Wunsch und Wirklichkeit

■ Der Thyssen-Krupp-Deal und die Banker-Szenarien

Das muß ein Fest unter den Londoner Bankern gewesen sein. Hatten sie nicht soeben bewiesen, daß es sich rechnet, wenn der Stahlkonzern Krupp den größeren Mischkonzern Thyssen übernimmt? Da stand es. Schwarz auf weiß. Sie hatten Kennzahlen aus den Bilanzen der beiden Unternehmen errechnet, verglichen, in die Zukunft projiziert und visioniert. Die harten Zahlen ihrer Prognose ließen keinen anderen Schluß zu: Krupp kann sich die Übernahme leisten, ja, macht in wenigen Jahren gar Gewinne mit dem Coup.

Genial. Wunsch des Auftraggebers Gerhard Cromme und Rechnung stimmen überein. Fatal daran ist nur, daß den dynamischen Finanzanalysten und Unternehmensberatern wie üblich der gesamtgesellschaftliche Überblick fehlt. Allein der martialische Name für die Geheimstudie – Hammer und Thor – deutet an, daß ihnen der soziale Friede und andere Errungenschaften des Abendlandes nicht sonderlich am Herzen liegen. Vor ihrem Aufstieg in den Olymp der Banken und Unternehmensberatungen werden die Banker und Berater an teuren Privatschulen und Busineß-Akademien in attraktiver Lage ausgebildet. In Crash-Kursen, die in ein bis zwei Jahren zum Erfolg führen, lernen die Zwanzigjährigen für viel Geld nichts anderes, als Zahlen zu lesen. Und diese elitären Kaderschmieden der Wirtschaft lassen nur eine Interpretation zu: Unternehmen optimieren, Gewinne maximieren.

Wenn die jungen Optimierer dann mit 23 oder 24 in Unternehmensberatungen oder Banken auf die Bilanzen real existierender Unternehmen mit real arbeitenden Menschen losgelassen werden, kommen sie zwangsläufig zu denselben Ergebnissen wie in den abgeschieden gelegenen Schulen am Genfer See oder in einem Pariser Vorort. Arbeiter oder verantwortlich handelnde Menschen haben sie dort ja nicht getroffen.

Dies wäre gesellschaftlich nicht weiter relevant, wenn die einseitigen Studien dieser jungen Leute nicht des öfteren auf den Schreibtish von Menschen wie Jürgen Schrempp, Hilmar Kopper oder eben Gerhard Cromme gelangen würden. Stehen die optimalen Gewinnaussichten da schon so schön schwarz auf weiß vor ihnen, müssen sie als Manager Taten folgen lassen. Schließlich will jeder mal Manager des Jahres werden. Ulrike Fokken

Bericht Seite 6

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