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Einstellung möglich

■ Havemann-Prozeß: Angeklagte sagen erstmals aus. Gericht sieht dies als Signal

Frankfurt/Oder (dpa) – Das Havemann-Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) könnte noch vor dem Ende der Beweisaufnahme eingestellt werden. Das kündigte der Vorsitzende Richter Joachim Dönitz an. Zuvor hatten sich die sieben angeklagten DDR- Juristen erstmals seit Prozeßbeginn vor zweieinhalb Jahren zu den Vorwürfen geäußert. Mit einer Ausnahme gaben sie an, daß sie keine Kontakte zur Stasi hatten. Zudem räumten sie Fehler ein und entschuldigten sich dafür.

In dem Rechtsbeugungsprozeß wird den Angeklagten vorgeworfen, auf Anweisung der DDR-Führung den Regimekritiker Robert Havemann 1976 unter Hausarrest gestellt zu haben. Drei Jahre später sollen sie ihn wegen eines angeblichen Devisenvergehens zu 10.000 DDR-Mark Geldstrafe verurteilt haben. Der Prozeß begann im Sommer 1995. Nach zwanzig Verhandlungstagen wurde er abgebrochen, da die Staatsanwaltschaft einen Schöffen abgelehnt hatte und kein Ersatz zur Verfügung stand. Das Verfahren wurde Anfang 1996 neu aufgerollt.

Richter Dönitz erklärte, das Gericht führe seit längerem Gespräche, um das Verfahren einzustellen. Dies sei eine Alternative zu Verurteilung oder Freispruch. Eine richtige Entscheidung sei in Umbruchssituationen, in denen zwei Rechtssysteme aufeinanderträfen, kaum zu finden. Die Angeklagten hätten mit ihren Einlassungen ein Signal gegeben.

Sechs der Angeklagten sagten aus, bei den Verfahren gegen Havemann keine Kontakte zum Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gehabt zu haben. Nur eine einstige Staatsanwältin beteuerte, sie habe als einzige gewußt, daß MfS-Untersuchungsorgane die Zollbehörde unterstützt hätten. Dennoch sei sie im Devisenvergehen ohne Beeinflussung vorgegangen. Zudem sei es auch nicht gelungen, Havemann an weiteren Veröffentlichungen im Westen zu hindern. „Es war politisch äußerst unklug, solche Verfahren in Gang zu setzen“, erklärte ein Exrichter.

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