: Königliche Wurzelentzündung
■ Grober Garagenrock mit den Oblivians und den Revelators
Die Anhänger der Oblivians dürften anders aussehen. Sie tragen wohl kaum einen Bart über der Oberlippe oder T-Shirts mit der Aufschrift „Kill a Punk for Rock'n Roll“wie die Menschen auf dem Coverphoto ihres letzten Albums Popular Favorites. Für die Oblivians selbst stellen Rock'n'Roll und Punk natürlich keinen Widerspruch dar. Denn das eine ist für sie die Materie und das andere das Mittel, ohne die sie tot bleiben müßte.
Die Oblivians sind die purste aller Bands des Crypt-Labels, das in Hamburg ansässig, aber international renommiert ist. Das Trio schmückt sein Repertoire mit allerlei Preziosen vergangener Tage, bläst die potentielle Patina aber mit der Konsequenz von Musikern weg, die prinzipiell alle Geräte mit der gleichen Härte bedienen. Alle drei spielen Gitarre und Schlagzeug, und alle drei benutzen auch das Mikro. Irgendwie. Aber nur, wenn Greg Oblivian davorsteht, verbreitet sich ein morbider Zauber. Denn er croont wie der King mit Zahnwurzelentzündung.
Vergessen wir nicht, daß die Heimat der Oblivians Memphis ist. Doch museale Verkrampfung und ehrfürchtige Erstarrung im Angesicht des Ikonenparks vor der Haustür sind den Garagenrockern fremd. Ihr letztes Album haben sie in knapp drei Tagen aufgenommen, und obwohl es noch keine zehn Monate auf dem Markt ist, kommt in Kürze schon das neue. Da paßt es ins Bild, daß die Oblivians Instrumenten-Fetischismus ablehnen und mit „Guitar Shop Asshole“einen Song im Programm haben, der das Gegenstück zu Tocotronics „Gitarrenhändler Ihr seid Schweine“darstellt.
Das meinen wahrscheinlich auch die Revelators, die sich eigentlich nur gegründet haben, um im Vorprogramm der Oblivans aufzutreten. Das war 1995, und vor kurzem ist endlich ihr Debüt-Album erschienen. We Told You Not To Cross Us hält, was der wenig einladende Titel verspricht. Der Garagenrock ist rabiat und ungestüm, doch manchmal schleichen sich agitatorische Töne in die grob gehauenen Nummern. Die drei kommen aus Columbia – einer Stadt, die eigentlich nichts anderes zu bieten hat als eine auf Agrarkultur spezialisierte Universität. In These Calloused Hands schimpfen die Revelators auf die schändliche Behandlung der Farmer seitens der Regierung. Seltsam für eine Band aus dem Trash-Fach, aber irgendjemand muß sich ja um die Landwirtschaft kümmern. Christian Buß Mi, 2. April, 21 Uhr, Marquee
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