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Aufwandsentschädigung post mortem

■ Bund der Steuerzahler: Bremerhavener Stadtverordnete besonders teuer – selbst wenn sie tot sind

Ausgerechnet die Bremerhavener KommunalpolitikerInnen kommen wegen der Verschwendung von Steuergeldern in die Schlagzeilen: Der „Bund der Steuerzahler“(BdS) berichtet in der April-Ausgabe seiner Vereinsnachrichten über die überzogenen „Aufwandsentschädigungen“, die sich die Bremerhavener Stadtverordneten gönnen. Keine einzige niedersächsische Kommune leiste sich so teure Freizeit-PolitikerInnen. Und bei der Gelegenheit hat der BdS auch gleich noch eine besondere Bremerhavener Skurrilität ausgegraben: Stirbt ein Stadtverordneter, dann bekommen die Angehörigen noch drei Monate über den Todestag hinaus die Abgeordneten-Aufwandsentschädigung. 840 Mark pro Monat. So will es das Bremerhavener „Entschädigungsgesetz“.

„Sowas gibt es sonst nirgendwo“, ereifert sich BdS-Landesgeschäftsführer Bernhard Zentgraf über die post-mortem-Vergütung. Und nicht nur darüber. Der BdS hat die Entschädigungen für die ehrenamtlichen KommunalpolitikerInnen in Niedersachsen ermittelt und mit denen in Bremerhaven verglichen. Resultat: Mit 840 Mark monatlich schlägt das marode Bremerhaven alle niedersächsischen Vergütungsrekorde. Das etwa gleich große Wolfsburg wirft monatlich lediglich 546 Mark an die Ratsfrauen und -männer aus, und das dreimal größere Hannover entschädigt die Ratsarbeit mit 825 Mark.

Die Studie hatte schon im Februar für einigen Wirbel gesorgt. Bis auf die Grünen fanden alle Stadtverordnetenfraktionen gemein, was der BdS da ausgegraben hatte. Stadtverordneten-Vorsteher Hans-Joachim Petersen hatte dem BdS den Kopf gewaschen: „Der Steuerzahlerbund vergleicht Äpfel mit Birnen“, die Kritik sei überhaupt nicht nachzuvollziehen. Die Höhe der Aufwandsentschädigung hätte nichts mit der Größe der Stadt zu tun. „Man darf doch nicht Bremerhaven auf eine Stufe mit Städten in Niedersachsen stellen.“Bremerhaven nehme nicht nur kommunale Aufgaben, sondern zugleich die Zuständigkeiten eines Regierungsbezirks wahr. Soll heißen: Bremerhavener Stadtverordnete arbeiten mehr fürs Geld. Balsam für die geschundene Seele des AfB-Fraktionsvorsitzenden in der Stadtverordnetenversammlung, Günter Dieckhöner: „Für eine kleine Fraktion sind wir echt nicht überbezahlt.“Und ganz genau so schallt es aus den Fraktionszentralen von CDU und SPD. Es gebe da überhaupt keinen Regelungsbedarf.

Das findet der BdS so gar nicht überzeugend: „Ein Blick in die Verfassung der Seehafenstadt Bremerhaven fördert zutage, daß dem dortigen Kommunalparlament nicht wesentlich andere Zuständigkeiten und Befugnisse als in Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen eingeräumt werden“, heißt es in der BdS-Veröffentlichung.

Immerhin, eine Bestimmung könnte doch noch geändert werden: Die Fortzahlung der Entschädigung im Todesfall. „Die paßt nicht in die Landschaft“, muß die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Martina Kirsten-Klingner zugeben. „Da haben wir keine Probleme, das abzuschaffen.“Nur Probleme, für die Abschaffung eine Mehrheit zu bekommen. Eine Fraktion hat sie auf ihrer Seite. Die Grünen haben sich gestern beim BdS wegen dessen hartnäckiger Recherche bedankt. Der habe genau die kritischen Punkte im Ortsgesetz aufgespießt, „mit denen wir uns, seit wir 1983 erstmals in die Stadtverordnetenversammlung gewählt wurden, immer wieder auseinanderzusetzen hatten.“ J.G.

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