■ Betr.: Auswirkungen der deutschen FlaggAO-Änderung: „Nach der Stange hin verschoben“
Mit Gesetzesänderungen wird Politik gemacht: Jahressteuergesetz, Arbeitsförderungsgesetz, Ladenschlußgesetz. Die bedeutendste Änderung bundesrepublikanischer Gesetzgebung ist allerdings nahezu unbeobachtet und daher auch kaum kritisch begleitet an uns vorbeigeschlichen. Ja, nicht nur eine Gesetzesänderung, sondern eine waschechte Neufassung!
Am 13. November 1996 wurde die Anordnung über die deutschen Flaggen (FlaggAO) neu verkündet. Sie löste damit das vermutlich gleichzeitig dienstälteste und jungfräulichste Gesetz von Rang ab: Die FlaggAO vom 7. Juni 1950, die bis zum nebligen November letzten Jahres unbeschadet und ohne Änderung die Höhen und Tiefen unserer Republik erlebte. Wirtschaftswunder, Fußballweltmeisterschaft, RAF-Herbst, Mauerfall. Alles geschah unter der Bundesflagge, die nicht nur gemäß Artikel 22 Grundgesetz „schwarz-rot- gold“ ist. Sondern laut – alter und neuer – FlaggAO „aus drei gleich breiten Querstreifen, oben schwarz, in der Mitte rot, unten goldfarben“ besteht. Hier wird der Verfassungsliebhaber stutzig: Vom grundgesetzlich versprochenen Gold lediglich zum Goldfarben – nur noch! Kein Blattgold am Flattertuch! Ist die Vorschrift gar verfassungswidrig? Andere Regelungen scheinen dagegen zweckmäßig und verfassungsfest zu sein. So hat das Verhältnis der „Höhe zur Länge“, „wie 3 zu 5“ zu betragen. Haben wir uns doch gleich gedacht.
Die alte FlaggAO dankt ab. Dennoch: kein Nachruf. Sondern ein Blick nach vorn. Nach vorn, in eine Zukunft mit der neuen FlaggAO 1996. Was bringt sie uns?
Die Möglichkeit, die Flagge auch als Banner zu führen – Banner, diese bunt eingefärbten und abgewickelten Küchentuchrollen, die so luftig und leicht im Winde schweben. Dann sind natürlich Längsstreifen vorgesehen! Die deutsche Flagge als Banner – das war mit der alten FlaggAo nicht zu machen, Dutzende von Staatsempfängen bewegten sich in rechtlichen Grauzonen.
Geblieben ist zwar die bewährte Beschreibung der Bundesdienstflagge: Sie hat „die gleichen Querstreifen wie die Bundesflagge darauf, etwas nach der Stange hin verschoben, in den schwarzen und den goldfarbenen Streifen je bis zu einem Fünftel übergreifend, den Bundesschild, den Adler nach der Stange gewendet“. Wohin auch sonst. Ihr wurden jedoch mehr Einsatzmöglichkeiten zugesprochen. Sie darf jetzt in Modifizierungen auch an Dienstkraftfahrzeugen angebracht werden. Also: Weg mit der Flagge vom Fahrrad! Und am Kraftfahrzeug selbstredend „am rechten Kotflügel“. Gut, daß wir die FlaggAo haben, die uns dies in Absatz III Satz 2 vorschreibt, sonst wäre die Entscheidung schwergefallen. (Ob Helmut Kohl nach seinem Ableben analog seinem ehemaligen chinesischen Amtskollegen Deng in einer Bundesflagge, einer modifizierten Bundesstandarte oder einer Kraftfahrzeugflagge eingehüllt ausgestellt wird, ist zur Stunde noch unklar.)
Unwiederbringlich verloren ist aber die Bundespostflagge mit „goldfarbenem Posthorn mit goldfarbener Schnur, zwei goldfarbenen Quasten und“ last not least, „vier goldfarbenen Strahlenblitzen“ (Good ol' FlaggAO 1950!). Sie ist nicht durch das pinkfarbene T-Banner mit Wir-werden-jeden- Tag-besser-Standarte ersetzt worden.
Den Pokal der wichtigsten Änderung darf jedoch die Gleichstellungsformulierung mit nach Hause nehmen, der zufolge die Standarte (rotgerändertes Rechteck) nicht, wie weiland 1950, dem Bundespräsidenten vorbehalten ist, sondern nun auch der Bundespräsidentin zusteht. Sebastian Lovens
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