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Brett vor dem Kopf

■ Der Bremer Künstler Hermann Stuzmann zeigt Neues in der Städtischen Galerie

Neben dem Lastenaufzug hängt Karl: dunkle Brille, grauer Haarschopf, Zopf im Nacken. Das Portrait Karl Lagerfelds auf einem holzwurmübersäten Träger ist mit einer grünen 25-Pfennig-Briefmarke versehen, mit dem Kopf des ehemaligen Bundespräsident Heinemann. Gustav mit Vornamen. Die kleine Collage hat sich einer ausgedacht dessen Name so ähnlich klingt wie Karl und Gustav: Hermann Stuzmann.

Die Städtische Galerie richtet dem Künstler anläßlich seines 50. Geburtstags eine Ausstellung ein. Eine Retrospektive ist es nicht geworden. Stuzmanns, wie er selber sagt, „Agitationsbilder der 70er Jahre, in der Tradition eines Heartfield oder Grosz“, fehlen. Statt dessen stammen die präsentierten Objekte aus jüngster Zeit. Heute habe er in seiner Kunst „konkret keine gesellschaftlichen Belange mehr im Visier“, erzählt Stuzmann, auch wenn er sich noch immer der sozialen Linken zurechne. Im Zuge allgemeiner Ratlosigkeit in der Kunst wie im Leben setzt er inzwischen stärker auf formale Aspekte. Er spielt mit Farben und Materialien, koppelt die Malerei mit der Plastik, bricht also konventionelle Bildräume auf und nutzt den Raum als Experimentierfeld.

Für den großen Saal der Galerie hat er eigens eine Arbeit entworfen. Latten aus Schalholz umschlingen wie ein Band die Eisensäulen mitten im Raum. „So ein langes Bild wollte ich schon immer mal machen“, erklärt Stuzmann, und, daß er die Latten beim Bemalen „von oben und unten, von vorne und hinten beackern mußte“. So redet einer, der aus der Bildhauerei kommt, den der Umgang mit Materialien reizt.

Den schmalen Sichtschutz hat er auf Augenhöhe angebracht und mit Dispersionsfarbe bemalt. Die Töne weiß, rot, blau und schwarz dominieren und im Zusammenklang hat der Betrachter ein Landschaftsbild vor Augen. Der kräftige Farbauftrag erinnert an die expressiven Gesten der Brückemaler - nur, daß Stuzmann keine Leinwand mehr braucht und keinen konventionellenTräger.

Die Säulen werden zu Grenzmarkierungen, das Werk, das sich an ihnen entlangschlängelt, muß der Besucher auf 30 Meter Länge umschreiten – will er nicht unten durchkriechen. Das Geflecht mitten im Raum wehrt neugierige Blicke ab, gibt ein Gefühl für das Raummaß, und wer dicht herangeht, hat ein Brett vor dem Kopf. Ein Aspekt, der den Arbeiten fremd ist, denn Offenheit zeichnet sie aus.

Ähnlich muß der Blick sein, wenn man oben auf einer Anhöhe steht. Zum symbolischen Aufsteigen hat Stuzmann häufig Treppen aus Papier gefaltet und in seine Werke eingefügt. Die Treppen beginnen auf festem Boden und enden dann im leeren Raum. Die BesucherInnen reagieren beim Anblick dieser Kunst optimistisch. Im Gästebuch schreibt Britta L.: „Schöne Objekte für eine positive Zukunft“. Sabine Haßler

Stuzmann, bis zum 13. April in der Städtischen Galerie, Ostersonntag und -montag von 11 bis 16 Uhr geöffnet

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