: Eine stinkige, unheilige Allianz
■ betr.: „Realitätsfreie Räume“, taz vom 15./16. 3. 97
Der Artikel kennzeichnet eine vorhandene Situation, die einem verstärkt auffällt, wenn man – wie die Dramaturgie der Bühnen der Stadt Bielefeld – während der vergangenen Monate einen Spielplan aufstellt, der vielfachen Ansprüchen gerecht werden soll. Darunter ist der wichtigste, die neuralgischen Punkte unserer gesellschaftlichen Lage dem potentiellen Publikum deutlich zu machen – auf unterhaltsame, provokante, vielleicht skandalöse, aber immer verstehbare Art. Dabei kann das Erschrecken vor sich selbst eine wichtige Rolle spielen, aber: Wer erschreckt sich vor einem Zombie auf der Bühne? Alle wissen, daß er nicht echt ist!
Nur darf Jürgen Berger die Autoren nicht allein verantwortlich machen. Für Beobachter der Theaterszene liegt auf der Hand, daß auch eine einander gegenseitig aufschaukelnde Wirkung zwischen den Medien (im weitesten Sinne, die Presse eingeschlossen) und den Dramaturgien der Theater (ebenfalls im weitesten Sinne, nämlich Öffentlichkeitsreferenten und Inszenatoren eingeschlossen) besteht. Eine, wie man sagen muß, stinkige unheilige Allianz. Auf diesem Wege gewinnen jedoch junge Autoren Beachtung, werden weitergereicht zu neuen Unternehmungen, erhalten Aufträge... Nicht Nachgespielt-Werden, nicht Einwirken auf das Bewußtsein eines tatsächlichen Publikums ist das Ziel dabei, sondern die Neuigkeit, die vermarktbare Nachricht. Also tragen auch die Marktschreier Verantwortung für den beklagten und in der Tat beklagenswerten Zustand.
Wie, hoffentlich, bemerkenswert, daß die realen Probleme der Leute – etwa im Ruhrgebiet – vor den Toren wichtiger Theater dramatisch Ausdruck finden! Noch bemerkenswerter wäre, wenn sie das auch auf der Bühne täten. Alexander Gruber,
Chefdramaturg der Bühnen der
Stadt Bielefeld
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