piwik no script img

■ SURFBRETTRot, schwarz, dekonstruktiv

Antonio Muntadas ist schon da. Drei Monate vor der offiziellen Eröffnung der „documenta X“ hat er seinen Beitrag ins Netz gestellt, in die „www.documenta .de“, die am 21. März gestartet ist. Muntadas' „On Translation“ ist hinter dem Piktogramm des Divisionszeichens versteckt. Neun weitere Zeichen dieser Art finden sich in einem Frame neben dem großen Fenster, das zunächst nur die doppelte documenta, die irdische in Kassel und die digitale im Internet, anzeigt, beide in den Farben Rot und Schwarz. Der Purismus der Corporate Identity geht auf Kosten der Verständlichkeit. Welch tieferer Sinn mag hinter der Verbindung des Nummern-Gartenzauns mit den Projekten stehen, die unter dem Titel „Cities&Networks“ zusammengefaßt wurden? Das Ungefährzeichen steht für „Surfaces &Territories“, wo Joan Heemskerk und Dirk Paesmans „jodi.org“ aber nicht läuft.

Die Verwirrung ist Absicht. Der Pressetext erklärt, daß man dem Server „eine nichtlineare Struktur zugrunde legen“ wollte, in der „eine dekonstruktivistische Strategie sichtbar wird“. Herzlichen Glückwunsch! Dekonstruktion haben Windows-Nutzer noch vermißt. Nun gut, hinter dem „i“ für Information stecken nützliche Auskünfte, wie die Namen der erwarteten Teilnehmer oder Eintrittspreise (25 Mark pro Tag, Dauerkarte 120 Mark). Wunderschön sind die FAQs, die immer wieder gestellten Fragen: „Wird es Produkte mit dem documenta-Logo geben?“ Jein. Bislang ist ein Visitenkartenetui für dX-Geschenkgutscheine im Angebot sowie eine Box für Bonbons, über die der Newsletter – unter dem Ausrufezeichen verborgen – jedoch vermeldet, daß sie ausverkauft ist. Womit sich die Frage stellt, ob man „künstlerische Produkte kaufen kann“. Man kann. Gibt es ein spezielles Angebot für Jugendliche? Das gibt es. Warum es aber ausgerechnet „Cocooning“ heißt, ist leider keine ständig gestellte Frage.

Die Verbindung beider Welten bewältigt die Bahn AG mit einem eigenen Menüpunkt. Heinz Dürr sagt: „Die Bahn macht die Kunst populär.“ Man würde das „Metro-Net“ von Martin Kippenberger vorziehen, das Leipzig mit Los Angeles und Kassel verbindet, wo man Einsicht in einen Plan mit „Möglichkeiten für Fulda“ erhält. Doch Kippenbergers posthumes U-Bahn-Netz ist wie die meisten der hier vernetzten Werke schon älteren Datums. Irgendwo lamentieren Pit Schultz und Geert Lovink: „1995 was the short summer of the net“. Für diese Website trifft das zu. Brigitte Werneburg

105277.524@compuserve.com

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen