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„Liebe ist keine statistische Menge“

■ Was rät die Frau der Frau in Liebesdingen? Exklusivbericht von einer Lesung in einem f-Klo der Bremer Uni

Margit K. schreibt: Ich liebe zwei Männer (heimlich) und schlafe mit ihnen. Bin ich moralisch verwerflich? – Carina P. (Fachbereich Psychologie, Projekt Unbewußte Kog-nitionen) fühlt sich angesprochen und reagiert mit: Vergiß die Moralkacke und frage dich, wie es kommt, daß du zu beiden nicht ehrlich sein kannst. Wahrscheinlich hast du Angst, einen von beiden zu verletzen. Wenn die beiden m dich lieben, müssen sie akzeptieren, daß du auch zwei lieben kannst.

So gesehen vor etwa drei Monaten, in Sitzposition an der Bremer Uni, sagen wir einmal Nähe Caféte, Frauenklo. Linkerhand, Sitzsichthöhe. Ganz nett. Immerhin einen Tick origineller als: Ich verschmachte mich sooo nach Uuuwe, freute sich das Weiberherz. Und so schaute ich prompt letzte Woche nochmal nach. Wow. Die Wand ist voll, die Sitzung besser als mit Comic, Gimmick oder Gala. (Inzwischen wissen ja auch Verhaltensforscher, daß der Mensch auf Toilette gern liest, und zwar in Prozentzahlen belegt lieber verdauungsfördernd Leichtes denn schwere Kost.)

Jasmin W. (Sonderforschungsbereich „Statuspassagen und Risikolagen im Lebensverlauf“) zum Beispiel meint zu Margit K.s Problem: Was soll ich denn sagen, ich schlafe mit meinem Abteilungsleiter, der doppelt so alt ist wie ich. Sarah L. (plant ein Bits-&-Bytes-Studium) schreibt links außen: Hallo, ich bin 15 und finde, du bist keine Rechenschaft schuldig, wenn du sie nicht liebst. Wenn ja, sag es ihnen. Dazwischen drängen sich Erna Ü., Gertrud A. und Silke O. (alle Lehramt Sekundarstufe II) mit LOGO! (moralisch verwerflich, d.Red.), Ich auch! und Ihr seid krank und kulturlos. Parasiten.

Spätestens jetzt sehen sich selbst Sitzriesinnen unruhig nach Papier um. Rechts oben streiten Karin P. (Mineralogie) und Sonja T. (Geophysik) in- und übereinanderkritzelnd: Wenn du denkst, daß du zwei m liebst, dann liebst du in Wirklichkeit keinen sowie So'n Riesenquatsch. Als ob Liebe eine statistische Menge wäre, die man aufteilen muß. Je mehr du liebst, desto mehr Liebeskapazitäten entwickelst du. Jutta Q. (Gasthörerin) schließt sich an: Frag dich nicht so nen Scheiß und freu dich. Ein m ist immer zu wenig für eine f. Hat irgendjemand vor kurzem behauptet, Frauen würden nicht mehr miteinander reden auf dem Klo? Oder noch schlimmer: Nicht mehr zusammen auf Toilette gehen? Mitnichten. Oder hätte sonst irgendeine überhaupt den Kuli dabei? Würde sie sich vorzeitig aufrichten und sich rechts neben der Klobrille nach hinten beugen, um entziffern zu können, was Hanna G. (Graduiertenkolleg „Komplexe Dynamische Systeme“) mitzuteilen hat: Ich „hab zwei“und liebe keinen, falls es wichtig ist: Beide mit Charakter und Bettqualitäten, bloß meine beste Freundin hat mich verlassen, und das ist das Ende des Begreifens.

Längst ist auf den zwei qm alles Slam, alles Fluxus, alles Arabella. Cassandra L. (vom Asta) wirft die Maxime Ich hab die Frau noch nicht getroffen ein. Paula F. (Akademisches Auslandsamt) zeigt Neid: Wißt Ihr was? Ich krieg die Krise, wie schafft Ihr das? Ich kann nicht mal einen festhalten. Ulla P. (Sportwissenschaften) grüßt Hallo Problemtanten. Und Rita V. (Kasse Caféte) rollt beharrlich alles wieder von vorne auf: Sag, wo nimmst du die Zeit her, ich finde das sehr schwierig!

Behauptet noch eine, Frauen hätten Frauen nichts zu sagen oder womöglich nicht den Mut dazu? Erst gestern wieder riet Frieda Z. in einer großen überregionalen Tageszeitung öffentlich: „Sommersprossen verblassen, wenn man sie jeden Abend vor dem Schlafengehen mit Zitronensaft einreibt. Anschließend gut eincremen.“ Silvia P.

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