Frau Welt und das Kreuz mit der Naivität

■ Schöner Einstieg, das war's dann: Calderóns großes Welttheater im Orphtheater

Fünf Schauspieler werden geboren. In weißen Strampelanzügen gleiten sie auf einer Rutsche in den schmalen Bühnenraum. Sie wehren sich nach Kräften, jammern und greinen, klammern sich voller Angst aneinander – vergebens. Frau Welt (Liane Düsterhöft) steht schon bereit, um ihnen ihre Rollen zuzuweisen: König, Schönheit, Weisheit, Landmann, Bettler sollst du sein. Mit Kostümen, die sie aus einer geheimnisvollen Kiste holt, gelingt es ihr schließlich auch, sie langsam zu verführen – auf daß sie mitspielen im „Großen Welttheater“.

Das ist der schöne, bildstarke Beginn der Calderón-Bearbeitung des Orphtheaters, die am Mittwoch Premiere hatte. Leider bleibt es bei diesem Anfang. Was folgt, versackt zusehends in Undeutlichkeit: hier eine sinnentleerte Pantomime, dort unvermittelt textprotzender Moralismus. Nichts davon kann die Nähe des Geburtsmomentes wieder erreichen. Statt sich zu entwickeln, werden die Figuren zu bloßen Abziehbildern der ihnen zugewiesenen Rollen. Daß am Mittwoch ein bißchen zu laut und zu affektiert gekreischt, geheult und die Hände gerungen wurde, ist verzeihlich – das sind Unsauberkeiten und Premierenunsicherheiten, die sich mit der Zeit verschleifen werden.

Schwerer wiegt der Grundirrtum: daß das Naheliegende auch das Beste sei, oder gar das Leichteste. Freilich ist schon im Text Calderóns vieles enthalten, was dem Orphtheater ein Anliegen ist und was es anderen Vorlagen mühsam abringen mußte: das Fragen nach Spiel und Leben, die Nähe zum Mittelalterlichen, zum Mysterienspiel, die naive, klare Moralität, die von Demut und Bescheidenheit spricht. Aber was allzu nahe ist, verschwimmt wieder, bietet keine Reibungsflächen, fordert nicht heraus. Bei anderen Gelegenheiten gelang es der Regisseurin Susanne Truckenbrodt, aus einer vorgeblichen Naivität heraus zu einer kraftvollen Formensprache zu finden, die scheinbar eindimensionale Figuren zu schillerndem Leben erwachen ließ. Vor Calderóns moritatenhaftem Bilderbogen aber blieb sie – leider – ratlos und ohne Inspiration. Michael Mans

Weitere Aufführungen 4. bis 6. und 8. bis 13. April, jeweils 20 Uhr, Orphtheater, Sredzkistr. 64