Die 19 Atomreaktoren müssen vom Netz

■ betr.: „Getrennt lagern, vereint Atom müllen“, taz vom 27.3. 97

[...] Die geplante Konzeptänderung, die Roland Farnung, Chef des Energieriesen RWE, als „schmerzhaft“ bezeichnete, schlägt bei näherem Hinsehen gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe. Einerseits hilft es, die SPD-WählerInnen in Niedersachsen bei der Stange zu halten. Schließlich konzentrieren sich hier – mit dem Zwischenlager, der im Bau befindlichen Pilotkonditionierung, dem Faßlager, dem geplanten Endlager und dem im Planfeststellungsverfahren befindlichen Schacht Konrad für leicht- und mittelaktiven Atommüll – die Negativeinrichtungen der Atommüllentsorgung, und Schröder weiß, daß mit den permanenten Protesten keine Wahl zu gewinnen ist. Andererseits könnten die Atomkraftwerke noch länger laufen und noch mehr strahlenden Müll produzieren, ohne ein Endlager vorweisen zu müssen. Drittens käme die EVUs die sogenannte „direkte Endlagerung“ mit der vorgeschalteten 40jährigen Zwischenlagerung wesentlich billiger als die Wiederaufarbeitung in La Hague, Sellafield oder Dounraey. [...]

Wenn die SPD jetzt gegen den von Siemens und Framatome entwickelten Europäischen Druckwasser Reaktor (EPR) stimmt, ist diese politische Abwehrhaltung letztendlich bedeutungslos. Längst hat man sich hinter den Kulissen auf eine Arbeitsteilung verständigt. Die schwarzen Regierungen in Bayern, Baden-Württemberg erklärten sich bereit, Genehmigungsanträge für den sogenannten inhärenten EPR zu stellen. Im Jahr 2000 will der VIAG/Bayernwerk- Konzern die standortunabhängige Typengenehmigung beantragen. Rot dominierte Landesregierungen werden sich um die Zwischenlagerung kümmern müssen. Alles scheint geregelt – wenn da nicht wieder die Rechnung ohne den Wirt gemacht worden wäre. Eine Lösung der Entsorgungsfrage – und um die sollte es bei den Konsensgesprächen ja wohl gehen – ist aber nur mit einem sofortigen Stop der Atommüllproduktion zu haben. Die 19 Atomreaktoren müssen vom Netz. Nur dann wird sich die Anti-Atom-Bewegung an der Entsorgungsdebatte konstruktiv beteiligen. Irene Maria Sturm, MdL, B'90/Grüne, Sprecherin des Dachverbands der Oberpfälzer BIs gegen die Errichtung von Atomanlagen e.V.