: „Wenn Gentechnik etwas Böses ist, dann sind wir die Guten“
■ Bei Hanse Analytik im BITZ und in der Uni sind Bremer Wissenschaftler gentechnischen Manipulationen auf der Spur von Joachim Fahrun
anchmal muß es besonders schnell gehen im Labor von Hanse Analytik. So wollte kürzlich ein großer Lecithin-Hersteller seine Ware quasi über Nacht auf gentechnische Veränderungen untersucht haben. Offensichtlich hatte ein Schokoladen-Fabrikant, der Lecithin aus Sojabohnen als Rohstoff für die süße Masse brauchte, vom Lieferanten Garantien über Gentech-freie Ware verlangt.
Seit Ende des vergangenen Jahres die erste Ladung gentechnisch manipulierter Sojabohnen der Marke Round Up Ready der Firma Monsanto aus den USA in Hamburg ankam, werden die Forscher im Bremer Innovations- und Technologiezentrum (BITZ) neben der Universität mit codierten Proben diverser Lebensmittelhersteller zugeschüttet. Denn sie sind neben dem Freiburger Labor Gene Scan wohl die einzigen in Deutschland, die schnell und direkt auf der DNA gentechnische Veränderungen in fast allen Lebensmitteln aufspüren können (siehe Kasten).
Vor vier Jahren haben fünf Molekularbiologen, die sich aus Arbeitsgruppen bei Professor Armin Hildebrandt im Labor für Bioanalytik kannten, die Firma gegründet. „Wir waren promoviert und standen vor der Frage, hoffen auf eine wissenschaftliche Karriere, arbeitslos oder der Sprung ins kalte Wasser“, sagt Mitgründer Lothar Kruse. Firmen-Senior Georg Meyer, Habilitand bei Hildebrandt, hatte als langjähriger Leiter der Biotransfer-Stelle der Universität schon gute Kontakte zu den potentiellen Kunden aus der Lebensmittelbranche. Inzwischen arbeiten zehn Leute bei Hanse Analytik.
Die Forscher spezialisierten sich auf DNA-Analyse und begannen mit Untersuchungen: Wieviel billigeres Putenfleisch ist in Hühnergulasch versteckt oder wieviel Schwein in Rindfleischprodukten? Eher zufällig, so Kruse, habe sie die Nachfrage erreicht, ob sie nicht auch gentechnische Veränderungen in hochverarbeiteten Produkten wie Tomatenketchup oder Schokolade finden könnten. Es gelang: Mit ihrem Nachweis von Gentech-Einsatz in Tomatenmark kamen die Bremer vor einem knappen Jahr „ruck, zuck in die Medien“, so Kruse. Inzwischen ist das Verfahren standardisiert. Probleme bereite es allerdings nach wie vor, die DNA sauber aus brauner Schokolade zu isolieren. „Das muß am Kakao liegen“, vermutet Kruse.
Die Unsicherheit der Verbraucher und Hersteller begünstigt das Geschäft: Denn auch in der Novel Food Verordnung der EU ist nicht eindeutig definiert, wie und ab welchem Grad der Veränderung gentechnisch hergestellte Produkte zu kennzeichnen sind. Gemeinsam mit Gene Scan und dem Berliner Lebensmittel-Labor IKB bietet Hanse Analytik nun ein Qualitätssiegel an: „Gentechnische Manipulation nicht nachweisbar“.
Gen-Manipulation ist in Europa derzeit an Kartoffeln, Soja, Raps, Mais und Radicchio erlaubt. Für weitere Produkte liegen Anträge vor. Besonders Soja ist problematisch, weil es in bis zu 30.000 Lebensmitteln enthalten ist. Und in den USA, dem größten Soja-Exporteur, werden gentechnisch veränderte mit normalen Bohnen vermischt. Die Lebensmittelkonzerne können also nicht sicher sein, ob sie nicht gentechnisch verändertes Soja, Sojamehl oder Pflanzenöl kaufen. Daraus ergibt sich die Frage, wer verantwortlich ist und haften muß, wenn wirklich mal ein Schokoladenfan allergisch auf die der Soja zugefügten Gene reagiert. „Die Hersteller wollen schon wissen, was in ihren Produkten drin ist“, nennt Kruse die Motivation der Kunden, 280 Mark für eine Erstanalyse zu zahlen. Angesichts der Skepsis der deutschen Bevölkerung gegenüber gentechnisch veränderten Lebensmitteln könnte „Garantiert Gentechnik-frei“auch als Werbeslogan taugen. Außerdem muß jeder, der in die Schweiz exportieren will, sicher sein, keine Gen-Ware zu verkaufen: Im Alpenland sind manipulierte Lebensmittel verboten, obwohl der Schweizer Konzern Ciba Geigy neben Monsanto zu den eifrigsten internationalen Gen-Tech-Anbietern gehört. Auch die Schering-Hoechst Tochter Agrevo mischt mit. Die Motivation der Konzerne ist klar: Neben verbessertem Wachstum oder Frost-Verträglichkeit kann den Pflanzen mit der Manipulation Resistenz gegen Totalherbizide eingeimpft werden, die alles andere Leben auf dem Acker vernichten.
Um Manipulationen nachzuweisen, sind die Forscher aber noch immer auf Informationen der Hersteller angewiesen. Diese müssen ihre Verfahren vor der Genehmigung bei der EU in Brüssel genau darlegen und veröffentlichen sie auch in der Fachpresse. Ohne diese Hinweise sei die Suche zu aufwendig, so Kruse. Hier ist die Uni gefordert. Im Labor von Professor Hildebrandt suchen Doktoranden nach Wegen, um gentechnische Eingriffe in allen Lebensmitteln nachweisen zu können (siehe Kasten unten). Über einen Kooperationsvertrag ist sichergestellt, daß Hanse Analytik diese Methode kommerziell nutzen kann.
„Theoretisch kann jedes Gen mit jedem anderen gemixt werden“, sagt Kruse. Viel Arbeit für Hanse-Analytik: „Wir spüren auf, was andere eingebracht haben. Wenn Gentechnik etwas Böses ist, sind wir die Guten“.
Das WDR-Fernsehen berichtet am Montag um 22 Uhr in der Sendung „Markt“über die Bremer Gen-Forscher.
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