: „Nicht erwünschte Verkehrspirale“
■ Heftige Kritik am Verkehrsentwicklungskonzept von Bausenator Wagner Von Florian Marten
Hamburgs Bau- und Verkehrssenator Eugen Wagner steht ein heißer Herbst bevor. Nach dem vorläufigen Scheitern seiner Straßenbahnpläne darf sich „Beton-Eugen“ auf einen Sturm der Entrüstung freuen – spätestens im Herbst, wenn sein bislang unter Verschluß gehaltenes „Verkehrsentwicklungskon-zept für Hamburg“ – vorige Woche exklusiv in der taz – auch in der breiten Stadtöffentlichkeit und bei der SPD-Basis die gebührende Aufmerksamkeit findet. Verkehrswissenschaftler, betroffene Anwohner, enttäuschte Ökos und verkehrsbewegte SPD-Inis dürften sich dann zu einer Koalition verbünden, die das mühevoll aufgebaute Image vom Fahrrad- und Straßenbahnfreund Wagner zermürben könnte.
Doch hinter den Kulissen ist der Zoff schon längst in vollem Gang. Nach heftiger Kritik aus der Wirtschafts- und Stadtentwicklungsbehörde an Wagners „unabgestimmtem und einseitigem Vorgehen“ feuerte jetzt auch die hochkarätig besetzte Enquete-Kommission „Stadtentwicklung“ der Bürgerschaft eine Breitseite. In ihrem vertraulichen „Grundsatzpapier Verkehr“ klagen Experten und Politiker grundlegende Verbesserungen ein.
Wagners Verkehrsplanung, so Kritikpunkt Nummer 1, „ist mit den Zielen des in Arbeit befindlichen Stadtentwicklungskonzeptes, des Flächennutzungsplanes und des Landschaftsplanes nicht hinreichend koordiniert“. Schon in den zurückliegenden vier Jahren hatten sich Stadtentwicklungs- und Wirtschaftsbehörde mehrfach bitter beklagt, die Zusammenarbeit der Behörden bei den stadtstrategischen Großplanungen funktioniere überhaupt nicht.
Damit nicht genug. Die Baubehörde, so mahnt das Kommissionspapier, erzeugt mit ihrem Konzept neue Verkehrsprobleme: „Eine Politik der Engpaßbeseitigung setzt eine nicht erwünschte Verkehrsspirale in Gang.“ Die Unzahl von Straßenbauprojekten in Wagners Werk (siehe unten) führe zu noch mehr Verkehr und noch mehr Engpässen – kurz: zur Problemverschärfung statt zur Problemlösung.
Das Pikante: Diese Passage in der Expertenkritik stammmt vom renommierten Raumplaner Prof. Eckhard Kutter aus Berlin, dem kreativen Vordenker einer neuen integrierten Raum- und Verkehrsplanung. Kutter hatte zwar auch die Baubehörde beraten, war dort aber nicht auf Gehör gestoßen, was diese nicht daran hinderte, in ihrem Verkehrsentwicklungskonzept stolz auf den Berater „Prof. Kutter, DIW Berlin“ hinzuweisen.
Die Enquete-Kommission beläßt es nicht beim Rummäkeln. Vehement fordert sie eine moderne Verkehrsgestaltungsstrategie ein: Nicht der Ausbau von öffentlichem Verkehr und Straßen, sondern „neue Regulationskonzepte“ und eine „Verkehrsgestaltung, die insbesondere am Personenverkehr in der Region ansetzt“, müßten her: „Es muß zu weiteren Restriktionen gegenüber dem privaten Autoverkehr kommen.“ Parkraum sollte großflächig verknappt und – auch für Anwohner – massiv verteuert werden. Kutter & Co wollen eine verkehrsoptimierte Stadtentwicklung, moderne Güterverkehrskonzepte und eine Regionalentwicklung, die auf die Schiene setzt.
Noch reagiert man innerhalb der Baubehörde gelassen auf solche Anwürfe. Wagner glaubt sich der Rückendeckung von Handelskammer und Bürgermeister Henning Voscherau sicher. Offizielle Kommentare sind freilich noch nicht zu bekommen: Im Herbst vielleicht, wenn der Senat über Wagners Pläne berät.
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