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Das stumpfeste Schwert der Demokratie?

■ Polizeiskandal: Verfassungsgericht verhandelt über Herausgabe von Polizeiakten

Schlechte Karten für den Parlamentarischen Untersuchungsausschuß (PUA) Polizei: In der gestrigen Verhandlung vor dem Hamburgischen Verfassungsgericht deutete Präsident Wilhelm Rapp an, dem PUA-Begehren auf Herausgabe sämtlicher Polizei-, Straf-, Disziplinar- und Ermittlungsakten sowie deren öffentliche Verwendung nicht zu entsprechen: „Da haben wir Bedenken.“ Grund: „Verstoß gegen das Grundrecht auf informationelle Selbststimmung.“

Seit neun Monaten streiten sich nun der PUA und der Hamburger Senat um die Behandlung der Akten. Im Februar erließ das Verfassungsgericht gegen einen Beschlagnahmebeschluß des Amtsgerichts eine Einstweilige Verfügung. Danach mußte die Akten zwar an den PUA herausgegeben werden, aber zum Teil mit geschwärzten Daten („Kategorie 3“), oder sie durften nur in nicht-öffentlicher Sitzung erörtert werden („K 2“).

Senatsanwalt Peter Bull begründet die Selektion mit einem „besonderen Geheimhaltungsbedürfnis“. Der Senat sei nach dem Grundgesetz verpflichtet, auch für Polizisten das informationelle Selbstbestimmungsrecht zu wahren. Die vom PUA verabschiedete Datenschutzordnung reiche nicht aus. Bull: „Sie greift erst, wenn die Akten bereits beim Untersuchungsausschuß sind.“ Zudem seien nur die PUA-Mitglieder an den Datenschutz gebunden, nicht aber die anderen Bürgerschaftsabgeordneten. Bull: „Politiker sind ja gern zu Hintergrundgesprächen mit Journalisten bereit.“

Der PUA-Vorsitzende Ulrich Karpen sieht die Arbeit zu Unrecht behindert: „Der Senat ist nicht als Verfassungsorgan, sondern als Verwaltungsbehörde beteiligt.“ So lägen dem PUA derzeit 2700 Akten vor, wovon nur 158 Akten öffentlich verhandelt werden dürften. „Das ist nicht akzeptabel. So können wir unseren Untersuchungsauftrag nicht erfüllen, wenn wir rückhaltslos und öffentlich aufklären sollen.“ Karpen: „Der Untersuchungsausschuß ist das schärfste Schwert der parlamentarischen Demokratie.“ Daher habe die Hoheit über den Akten-Verwendung beim PUA zu liegen.

Für Wilhelm Rapp könne bereits durch die Vorlage der Akten eine Gefährdung des Grundrechts eingetreten sein: „Eine Gefährdung ist laut Bundesverfassungsgericht bereits ein Verstoß.“ Rapps verkappter Vorschlag: „Wenn sich die Bürgerschaft eine Geheimschutzordnung gäbe – wie der Bundestag – dann sehen wir auch keine Probleme der Bürgerschaft die Akten zu geben.“ Diese Auffassung stellt laut Karpen „das System auf den Kopf“. Die Bitte von PUA-Anwalt Schmidt-Jortzig an das Gericht: „Die Systematik der Verfassung nicht ohne Not zu vergewaltigen.“

Das Urteil wird am 19. Juli verkündet. Kai von Appen

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