Ein Schwamm quetscht sich aus

■ Kabarettfestival: Henning Venske erinnerte sich und Liederjahn rettete den Abend

Henning Venske hat am Mittwoch abend aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht: Er habe ein halbes Jahrhundert wie ein Schwamm alles aufgesogen und konserviert, nun sei sein Kopf eine Müllhalde. Im Unterschied zum Schwamm aber, der sich nur vollsaugt, hat Venske einen Mund und es kommt leider alles wieder aus ihm heraus, ohne äußeren Druck.

Venske ist 56, da hat sich eine schöne Suppe gebildet, „ein Chaos, ein Skandal des Bewußtseins“. Mit dieser Rechtfertigung sondert er Schwalle seiner Eindrücke ab: Springt vom Hungerwinter 46/47 mit den Jammervisagen der Heimkehrer zur heutigen Siegermiene von Justus Franz. Und zurück in die falschen Fünfziger, mit ihren wunderlichen Werbeslogans (“Wie die Neger fühlt man sich, genauso öde und dumpf – so ohne ein Radio von Saba!“),... alles frei assoziativ, leicht biographisch und lang. Venske kokettiert geschickt mit seinem Namensgedächtnis (“Sie können sich nicht erinnern? Beneidenswert!“). Dabei sind es die Namen, die hübschen von deutschen Produkten und die häßlichen von deutschen VIPs, an denen er den Abend aufhängt. Schauspieler und Autor Venske ist hier Kabarettist. Und da diese Kunst entweder mit den eindeutigen Zweideutigkeiten von Erotik oder denen von Staat und Gesellschaft handelt, bedient er den allgemeinen Unmut der Bürger über ihre Politiker.

Hofnarren und Kabarettisten sollen in ihrer Schutzzone die Bosheit der Machtmenschen aufs Korn nehmen. Aber ist es eine Kunst, mit der Verunglimpfung des Kanzlerleibes Lacher und mithin die kuhwarme Gemeinschaft zu schaffen? Oder mit Strauß oder Reagan? Dabei gibt sich Venske bärbeißig und konziliant zugleich, wie in einer Entschuldigungsgeste.

Manchmal ist Venske ulkig, aber nicht geistreich (die nachsozialistischen Auto-süchtigen Ossis: Dosenfleisch in Jogging-Anzügen). Ein andermal gibt er sich tiefschürfend, aber nicht humorvoll (etwa wenn er einen direkten Zusammenhang zwischen Leo Kirch, einem Anus und Darmzysten knüpft). Echten Witz aber haben seine Einfälle kaum.

Liederjahn lockerten das zwei Stunden lange Programm etwas mit ihrer leichtsinnigen Volksmusik auf. Vom Blockflötentrio bis zum Ländler mit Tuba und Fiedel – das norddeutsche Ensemble bemühte sich um Abwechslung: blödelte Anstandsfloskeln zur Salon-Klassik, wurde giftig im Inzest-Lied „Hinterm Ginster“ und gab dem modernen Seemann mit dem „On-line-Shanty“ einen zeitgemäßen Worksong. Hilmar Schulz