: Elemente in Übergröße
■ Die Industrial-Metaller Young Gods beim Kulturtransfer
Vorhang auf: Inszenierung. Aus der Reihe traditioneller Werte in moderner Umsetzung. Nach TV Sky sind die franco-schweizer Young Gods offensichtlich nachhaltig dem gelobten Land USA verfallen. TV Sky, die Kontaktaufnahme mit Amerika via Sprache und Klang, war für Franz Teichler und seine zwei Mitarbeiter nicht der Ausflug ohne Folgen, als der das an die Kategorie Industrial-Metal erinnernde Werk zunächst gedacht war. Die Band ist, von einer Ausnahme abgesehen, nicht zu ihrer französischsprachigen Ausgangsposition zurückgekehrt. Für die Aufnahme ihres neuen, wie in einem früherem Interview angekündigt, „Space“ und „Cill-Out“ assoziierenden Albums Only Heaven hat sich das Trio den USA zwar weniger künstlerisch, aber dafür örtlich genähert: Ein halbes Jahr ließen sich die jungen Götter in New York nieder.
Das Ergebnis steht in einer eigentümlichen Spannung. In im besten Sinne langatmigen Entwürfen zeichnen die Young Gods ein eindringlich urbanes (und problemlos mit New York kombinierbares) Bild, das trotz aller (universeller) Soundelemente kaum mit amerikanischer Herkunft in Verbindung gebracht werden kann. Das liegt sicherlich in erster Linie an Treichlers ebenso entrücktem wie eindringlichem Gesang, der die 80er-Jahre-Wave-Anleihen der Musik verstärkt. Genau diese romantisierte Schwermut bildet auch das äußerst europäische Moment der Young Gods, daß sie z. B. von einer allzu engen Verwandtschaft mit US-Eckdaten wie Ministry auf der einen und Suicide auf der andern Seite bewahrt. Letzteren sind die Young Gods gleichwohl nah, wenn das wabernde Gesamtwerk wie eine Ambient-Überarbeitung der strengen Elektro-Beat-Klassiker wie Vega und Rev anmutet und Techno nicht nur im strukturellen Sinne als enthierarchisiertes Songprinzip damit verbunden ist.
Schon immer betrieb Treichler seine Klangmalerei am Sampler, mittlerweile ist auch der Großteil der Klänge synthetischer Natur. Eine schlüssige Entwicklung für jemanden, der sich eigenen Aussagen zufolge als Minimalist versteht: der isolierte saubere Ton zum gezielten Einsatz. Daß am Ende der Effektivität letztlich auch Bombast mit Hall und Rauch steht, sich die sorgsam ausgewählten Elemente in Übergröße begegnen und Gefälligkeit und Melodie jede Strenge kuschelig binden, läßt zwar nicht an Lauterkeit, wohl aber an Konsequenz zweifeln. Was bleibt, ist wieder mal Romantik.
Holger in't Veld Do, 22.6., Docks, 21 Uhr
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