: Haushalt 1996 ganz einfach aufgeRunde(t)
■ Mehr Steuern, höhere Mieten und vielleicht eine neue Kooperationskrise
Mit gegenseitigem Schulterklopfen stellten Bürgermeister Henning Voscherau, Finanzsenator Ortwin Runde und Wirtschaftsenator Erhard Rittershaus gestern den Haushaltsentwurf für 1996 vor. Die „beste Kooperation die es je gab“ (Voscherau letzte Woche) sei „stabiler als je zuvor“ (Voscherau gestern), und folglich gab es bei den Senatsberatungen zum Sparhaushalt „weniger strittige Punkte als je zuvor“ (Runde).
Schuld an der vordergründigen Friede-Freude-Einsparkuchen-Stimmung ist das neue Haushaltskonzept namens „Budgetierung“. Der Finanzsenator legt nur noch die Gesamthöhe fest, die jede einzelne Behörde dann selbstbestimmt ausgeben bzw. einsparen darf.
Mit besonders übermütigem Eigenlob hob das Voscherau-Runde-Gespann hervor, daß sich der Haushalt fürs kommende Jahr nur um 2,8 Prozent erhöht. Drei Prozent waren anvisiert und vom Kooperationspartner Statt Partei heftigst eingeklagt worden. Da ist Finanzsenator Runde ein genialer Trick eingefallen: Er gibt dieses Jahr einfach 180 Millionen mehr aus und verringert somit die Zuwachsrate für –96.
„Runde hat beim Hochsprung gemogelt, indem er an der Absprungstelle einen Hügel aufgeschüttet hat“, metaphert Statt-Partei-Sprecher Achim Reichert. Trotzdem sei der Senat den Statt-Forderungen „auf halber Strecke entgegengekommen“. Selbst mit dem 180-Millionen-Batzen, der noch in diesem Haushaltsjahr nachgetragen wird, hätte man recht ordentlich gespart. Denn: Ohne die Statt Partei wäre es bei den ursprünglichen 4,5 Prozent Zuwachsrate geblieben.
„Mit dem Nachtragshaushalt sind es allerdings auch 4,2 Prozent“, hat GAL-Chef und Haushaltsexperte Willfried Maier fix nachgerechnet, und das sei eine „Täuschung der Öffentlichkeit“.
Auch die Gewerbesteuererhöhung um 20 Punkte, die von der Handelskammer mit „Bestürzung und Unverständnis“ aufgenommen wurde, lehnt die Statt Partei ab. „Das ist mehrheitlich entschieden worden“ gab der von der Statt Partei entsandte parteilose Wirtschaftssenator Rittershaus zu. Hinter der so harmlos klingende Erhöhung der Grundsteuer verbergen sich Mehrkosten für „alle Häusle-Besitzer und alle Mieter“, so Reichert. „Wenn wir morgen in der Bürgerschaft abstimmen müßten, hätten wir bei diesem Entwurf Lähmungserscheinungen im Arm.“
„Die erhöhte Grundsteuer wird das Wohnkosten-Niveau in die Höhe treiben“, warnt auch CDU-Chef Ole von Beust in bester sozialdemokratischer Manier.
Welche Filetstücke aus Hamburgs Schatzkiste verkauft werden, um den Schuldenberg abzubauen, hat der Senat noch nicht verraten. Voscherau will mit Stadtbesitz aber nicht „Löcher im laufenden Haushaltsloch stopfen“. Problematisch am Verhökern von Hamburger Vermögen ist vor allem, daß dann auch Einnahmen wegfallen. Verkauft der Senat wie erwartet die Hamburger Electricitätswerke (HEW) wird die Stadt nicht nur energiepolitischen Einfluß verlieren, sondern auch die Dividende. Silke Mertins
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