: „Gift-Mix in der Hemelinger Marsch“
■ BUND fordert Entsorgung „hochgiftiger und krebserregender Substanzen“/ Interview mit BUND-Experte Bernd Langer
Die Hemelinger Marsch soll gewerblich erschlossen werden. Geplant ist, auf rund 50 Hektar Firmen anzusiedeln. Laut Wirtschaftssenator Hartmut Perschau wurden dazu 1985 und 1995 bei den Ortsämtern Erkundigungen über mögliche Altlasten eingeholt. Diese ergaben keine Anhaltspunkte für eine Verunreinigung des Bodens, so Perschau. Bei ersten Probearbeiten im Oktober 1996 wurden allerdings in erheblichem Umfang Altlasten gefunden. Die taz sprach mit Bernd Langer vom Bremer Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) über die gefundenen Altlasten, mögliche Gefahren und Auswirkungen auf die Erschließung des künftigen Gewerbegebiets.
taz: Was wurde in der Hemelinger Marsch alles gefunden?
Bernd Langer, BUND Bremen: Exakte Erkenntnisse haben wir noch nicht, zumindest was die Konzentrationen anbelangt. Wir wissen aber, daß dort so ziemlich alles liegt, was es gibt – ein richtiger Gift-Mix: Schwermetalle, Asbest, Kohlenwasserstoffe, chlorierte Verbindungen und polyzyklisch aromatische Wasserstoffe. Also zum Teil hochgiftige und krebserregende Substanzen.
Wie stark gefährden die gefundenen Stoffe die Umwelt?
Ganz genau kann man das erst nach einer exakten und teuren Analyse sagen. Fest steht zur Zeit, daß das Grundwasser verunreinigt ist. Und das Grundwasser wandert von der Hemelinger Marsch gen Weser. Dann könnten Schadstoffe in die Luft gelangen und der Boden selbst ist hochgradig verseucht.
Liegen in der Fließrichtung Trinkwasser-Entnahmebrunnen?
Nein, in dem Bereich nicht. In Bremen wird nur im Norden Trinkwasser gezogen.
Welche Konsequenzen hat die Bodenkontamination auf die Erschließung?
Der Schadstoff-Mix, der gefunden wurde, ist nicht sanierbar. Der Boden ist kaum zu reinigen. Das Erdreich muß vollständig entsorgt werden. Vermutlich sogar in einer Sondermülldeponie. Zumindest die stark schadstoffhaltigen Bereiche.
Es gibt Überlegungen, den Müll zu zerschreddern und im Straßenbau wieder einzusetzen.
Das wäre natürlich die billigste Lösung, weshalb diese Art der Entsorgung auch in die Diskussion gekommen ist. Aber man kann keinen Sondermüll als Bauschutt wiederverwenden. Das ist ein Unding.
Wie teuer wäre eine Entsorgung nach Schätzung des BUND?
Wir sind grob gerechnet auf 80 Millionen Mark gekommen. Wenn man bedenkt, daß die Entsorgung von einer Tonne Hausmüll 170 Mark kostet und in der Hemelinger Marsch etwa 400.000 Kubikmeter Erdreich betroffen sind, kommt man auf diese Summe.
Wie kommen Sie auf die 400.000 Kubikmeter?
Die stammen aus Unterlagen des Bebauungsplans.
Wird die Entsorgung nicht wesentlich teurer als die Entsorgung von normalem Hausmüll?
Es kann sein, daß nur Teile der Fläche verseucht sind. Eine Entsorgung als Sondermüll kann aber auch bis zu 500 Mark pro Tonne kosten. Im schlimmsten Fall kann die ganze Angelegenheit also auch 240 Millionen Mark kosten. Die einfachste Form der Sanierung, eine Oberflächendeckelung, kostet zum Beispiel 175 Mark pro Quadratmeter. Bei 190.000 Quadratmetern in der Hemelinger Marsch wären das allein schon 33 Millionen Mark. Allerdings ist eine Oberflächenversiegelung wegen des hohen Grundwassers in Bremen nicht möglich. Wenn man Spundwände zieht, ergeben sich 57 Millionen Mark. Wenn man anfängt auszukoffern und zu dekontaminieren, haben wir 180 Millionen Mark Sanierungskosten errechnet. Mit der Schätzung von 80 Millionen Mark liegen wir also sicher nicht zu hoch.
Wie lange dauert eine vollständige Sanierung?
Das Ausgraben dauert höchstens ein paar Wochen. Die Erschließung der Hemelinger Marsch wird davon nicht aufgehalten. Aber man verschiebt das Problem auf die Sondermülldeponie.
Was muß nach Meinung des BUND jetzt geschehen?
Das Areal muß dringend saniert werden. Es ist nicht damit getan, das Zeug jetzt liegen zu lassen. Von diesem Gebiet geht eine akute Gefahr aus. Und es wird mal wieder versucht, das Problem zu verniedlichen und zu verheimlichen.
Fragen: Jens Tittmann
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