Medialer Totalschaden

■ Alt-68er, Deutschland, Jugend & Lebenskunst

Ach, seufzt der Blätterwald, erklär mir einer diese Jugend. Nix gegen Alt-68er, wirklich nicht. Sie können einem schon leid tun, wie sie da so ratlos aus der Wäsche gucken. Sie hätten's doch so gern, wenn „diese Jugend“ sich ein bißchen an ihnen reiben würde. Wohin denn sonst mit dem ganzen übriggebliebenen Kampfgeist? Die alten Feinde sitzen im Büro nebenan, und diese verdammten kleinen Rotznasen haben einfach keinen Bock auf den großen Generationenkonflikt. Statt dessen raven sie halbnackt durch die Straßen, klauen unsere Symbole und haben dabei für unsere gutgemeinten Vorträge nicht mehr als ein müdes Lächeln übrig. Unverschämtheit! Es kommt, wie es kommen muß: Völlig unpolitisch! Brav! Angepaßt!, schnauben die Revoluzzer von gestern. Was zum Teufel erwartet Ihr eigentlich von jemandem, der in der Ära Kohl politisches Bewußtsein erlangt hat???

Zugegeben, was meine politischen Visionen betrifft, so sind diese reichlich unscharf: Utopie- Rudimente (irgendwie alles ein bißchen gerechter, sozialer und schöner und so), ein bißchen Fortschrittsglaube à la „Star Trek“, eine Prise Sozialismus, umrühren, fertig: Soziale Marktwirtschaft zum Sonderpreis (klar, mit Ökosteuer) und sonst:

Innovation! Kreativität! Flexibilität! Medialer Totalschaden eben.

Unpolitisch bin ich deshalb noch lange nicht, nur ist mir – wie vielen Jugendlichen – konkrete politische Arbeit weitaus lieber. Auch daß ich dazu – nach zwei Jahren bei Greenpeace – zu den Jusos gegangen bin und nicht zu den Grünen, hatte im wesentlichen pragmatische Gründe: Von der Gesellschaft meiner ehemaligen Lehrer hatte ich vorerst genug, bei der SPD fühlte ich mich schlicht wohler. Daß mich Neugier und Spaß weit mehr umtreiben als die Sorge um das Gemeinwohl, mag man mir vorwerfen, ist aber nun mal so. Wer sich ab und zu im europäischen Ausland bewegt und auch die Sorgen anderer Länder kennt, hat vom deutschen Zeitgeist des Rumjammerns und Apokalypsebeschwörens bald die Schnauze voll, insbesondere, wenn daraus so absolut gar nichts erwächst. Vielleicht sind wir die erste Generation seit Kriegsende, die das Wohlstandsniveau ihrer Eltern nicht erreichen, geschweige denn übertreffen kann. Vielleicht sind wir auch die erste Generation, die sich mit Witz und Phantasie vom deutschen Kleinbürger zum europäischen Lebenskünstler mausern kann. Nadine Klages, 21,

Studentin der Germanistik,

Politik, Geschichte