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Mammon statt Visionen?

■ Talkin' about my generation...

haben die Who gesungen. All ihren Ärger darüber, daß eine Generation, die sie nicht verstand, trotzdem über sie urteilte und ihnen Vorschriften zu machen versuchte, legten sie in diesen Song. Das war 1965. 1997 hat sich grundsätzlich nur wenig an dieser Situation geändert: Alle haben eine Meinung über unsere Generation (was schön ist), und alle sind von ihrer universellen Richtigkeit überzeugt (was oftmals weniger schön ist). Da sind zum einen unsere Eltern, wahlweise erfahrene Mitglieder von Studenten- und Gewerkschaftsbewegung mit Fotos im Portemonnaie, die beweisen, daß statt Glatze mal lange Haare wallten, und/oder Spießer, wie es bürgerliche Deutsche schon seit Anbeginn der Zeiten sind. Den einen sind wir zu phlegmatisch und angepaßt – junge Mittelstands- Yuppies mit Promotion im Hedonismus, ichbezogen und konservativ –, die anderen finden uns chaotisch und orientierungslos. Was sie eint: daß unsere Musik zu laut ist. Das alles ist an sich nichts Neues. Seit Aristoteles bemerkte, wie verkommen die attische Jugend sei, hat fast jede Generation mit diesen ritualisierten Verurteilungen ihre Jugend verlebt. [...]

Uns wirft man pauschal fehlende Visionen vor, klagt uns der Perspektivlosigkeit an. Und genau das übernehmen wir. Denn das ist vielleicht das einzige Charakteristikum unserer Generation: Wir nehmen die verschiedenen Urteile auf, doch statt sie zu negieren und auf die Provokation mit dem von einigen ersehnten Aufschrei zu reagieren, machen wir uns einen Teil des Urteils zu eigen, schauen, wo es Wahrheit birgt, wo es als Entschuldigung und Rechtfertigung dienen kann. Das seit den späten 70ern immer wieder gern in den Raum geworfene und ebenso endgültige wie ominöse Generation X ist es, das besonders häufig zu hören ist. Eine kaputte Umwelt heißt es da, fehlende soziale Strukturen in Familie und Gesellschaft dort. Aids schwebt wie ein Racheengel über uns, und neuerdings ist da ja auch noch die zunehmende Unfruchtbarkeit. Was soll da bloß aus den Kindern werden?

Die Kinder wissen es nicht – ohne daß es sie zu stürmischem Protest treiben würde. Wir nutzen die Mitleidschiene, um die parallel auftretenden Vorwürfe der Kategorie „Wohlstandsjünger“ und „Nintendo-Jugend“ an uns abprallen zu lassen. So machen wir es uns zugegebenermaßen leicht, aber doch nicht leichter als die Alten.

„Jede Gesellschaft bekommt die Kinder, die sie verdient“, lautet ein bekannter Ausspruch. Womit bloß, fragen Altlinken auf ihren Cocktailpartys und ergraute Jusos entsetzt unter ihrem Palituch, das 14jährige Back-Street-Boys-Girlies als Modeaccessoire für sich entdeckt haben. Was wir sind, sind wir durch Euch. Nicht vollständig, aber doch so weit, wie unsere Sozialisation es zu verantworten hat. Und der uns so oft vorgehaltene Konsum erscheint als Ersatz für Lebensfreude vermutlich in jeder zweiten Beziehung von über 40jährigen.

Mammon statt Visionen also. So einfach ist das nicht. Wer sagt, daß wir nicht von einer besseren Welt träumen, offenbart nur die eigene Arroganz und Borniertheit. Das tun wir durchaus, mit aller Leidenschaft, zu der wir fähig sind. Nur: Viele von uns glauben einfach nicht daran. Die fortschreitende Desillusionierung, das ist für Altlinke die Tragik unserer Zeit und damit auch die unsere. Seit wir die Welt aktiv wahrnehmen, ist nur wenig besser geworden, wie auch das Interview mit 20jährigen zum Kohl-Jubiläum in der taz zeigte. Aussitzen, hinnehmen, weitermachen, dazwischen ab und zu ein Funke Leben.

Aber vielleicht macht gerade das viele aus unserer Generation betroffener, als die anderen denken und wir selbst wissen. Gerade deshalb sind die Idole unserer Generation Menschen wie Harald Schmidt auf die populäre und Küppersbusch auf die intellektuelle Methode, die unsere Gefühle am besten ausdrücken, indem sie mal zynisch, mal bitter sprechen. Das Leid anderer läßt sich unendlich viel leichter hinnehmen, wenn man mit einem lockeren Spruch Kritik daran üben und trotzdem lachen kann. Sicher ist das zynisch. Wenn aber ein Satiriker, wie Tucholsky sagt, ein enttäuschter Idealist ist, in welchem Maß muß das dann für den Zyniker gelten? [...] Kim Christian Priemel, 19,

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