■ Nachschlag: Israelische Jugendautoren waren eine Woche zu Gast in Berlin
Acht israelische AutorInnen an sieben Tagen unterwegs zu 46 Lesungen zwischen Schmargendorf und Buch. Da sage noch einer, das Schreiben sei ein einsames Geschäft. Als Repräsentanten israelischer Kinderliteratur lasen sie auf Einladung von LesArt in den Berliner Jugendbibliotheken, diskutierten mit Schülern und Lehrern. Drei von ihnen – Yael Rosman, Nava Semel und Sami Michael – saßen am Samstag nachmittag etwas erschöpft im Haus der Kulturen der Welt; bereit zu einer abschließenden Podiumsdiskussion mit den Jugendlichen. Der Saal war gut gefüllt, nur von Jugend kaum eine Spur. In Erwartung eines 46fachen Schneeballeffekts hatten die Veranstalter darauf verzichtet, junge Diskutanten herbeizuorganisieren – und waren damit gescheitert.
Macht nichts. Gegen literaturpädagogische Veranstaltungen zum Nutzen israelisch-deutscher Verständigung spricht das nicht. Am Freitag früh in der Adolf-Reißwein-Jugendbibliothek – oben im Rathaus Schmargendorf – zumindest war die Post abgegangen. Zwischen Bremer Stadtmusikanten und Kleinem Eisbär saß der siebzigjährige Sami Michael mit achtzig Fünft- und Sechstkläßlern der Grunewald-Grundschule, und man las sich gemeinsam die Geschichte von Nuri und seinem Esel aus „Bagdad“ vor: „Stephen, fängst du an?“ – „Oh, Scheiße!“ Nach zwei Stunden brach Michael die Veranstaltung ab – noch immer reckten sich ihm aus einem wogenden Köpfewald die Zeigefinger entgegen: Ob Nuri und Jiczak auch in Wirklichkeit so heißen? Wie viele Seiten sein schönstes Buch habe? Wo er wohne? „Ich wohne in Haifa, und meiner Ansicht nach ist das die schönste Stadt der ganzen Welt. Obwohl man in den Nachrichten so viel über Israel hört, ist es eigentlich ein ganz kleines Land. Ich sitze auf meinem Balkon und schaue über den Libanon, Israel, Syrien und über sehr viel blaues Meer.“ So eine Antwort macht zappelig: Gut und schön – aber wie viele Kinder er habe? Und wie das Wetter in Israel sei? „Es liegt ein Hauch von Parfüm in der Luft; ein Geruch von schönen Kindern.“ – „Und im Moment hat es dreißig Grad im Schatten.“ Oh!
Sami Michael, der orientalische Erzähler aus Bagdad und Haifa, der irakische Jude und israelische Patriot, ist ein liebreizender Großvater. Die Kinder aus dem Grunewald sind stolz, wißbegierig und wohlerzogen. Und mit Carsten Günnel gab es einen richtig netten Dolmetscher zwischen dem Hebräischen und dem Deutschen (auch wenn Sami Michael „mit einer Frau an meiner Stelle wahrscheinlich glücklicher“ gewesen wäre).
Zweierlei noch. Mit heißen Ohren habe ich Yael Rosmans Jugendbuch „Seltsames Mädchen mit Ohrringen“ (Alibaba-Verlag, 1992) verschlungen – und aus dem HdKdW klingt noch Nava Semels Plädoyer für ein neues israelische Märchen nach: „Meine Eltern kommen aus Osteuropa. Von Auschwitz gingen sie nach Israel. In uns, ihren Kindern, bauten sie sich eine neue Identität. Die magische jüdische Existenz der Diaspora aber haben wir darüber verloren.“ Fritz v. Klinggräff
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