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Passau ist abtreibungsfreie Zone

Am Samstag wird in der Bischofsstadt gegen den bayerischen Sonderweg im Abtreibungsrecht und gegen die speziellen Repressionen in der erzkatholischen Region demonstriert  ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler

„Passau und Umgebung sind praktisch eine abtreibungsfreie Zone, damit muß Schluß sein.“ Der bayerische Sonderweg im Abtreibungsrecht wird, so Petra Haubner von den „Feministischen Juristinnen“ in Passau, die Situation in der Bischofsstadt „nochmals verschärfen“. Eine Demonstration am kommenden Samstag, zu der zahlreiche Frauenorganisationen aufrufen, soll auf dieses in der erzkatholischen Region gründlich verschwiegene Thema aufmerksam machen.

Stadt und Landkreis Passau nehmen in Bayern schon immer eine besondere Stellung ein, wenn es um Abtreibungen geht. Schon 1986 beschloß der Kreistag, daß in den Kreiskrankenhäusern keine Schwangerschaftsabbrüche mehr durchgeführt werden dürfen, außer bei akuter Lebensgefahr für die Frau. Nachdem sich der Chefarzt und Chefgynäkologe des Passauer Klinikums ausdrücklich geweigert hatte, Abtreibungen durchzuführen, fiel auch diese Möglichkeit weg. Alle angestellten Ärzte weigerten sich fortan ebenfalls. „Wegen des großen Drucks von Kirche und Politik finden sich in Stadt und Landkreis schon lange keine Ärzte mehr, die offiziell ambulante Abbrüche vornehmen“, skizziert Haubner die Ausgangslage vor der bayerischen Verschärfung der bundesweiten Abtreibungsregelung.

Ab Juli müssen Frauen im Freistaat in den Beratungen ihre Gründe offenlegen und ihre Identität nachweisen, ansonsten bekommen sie keinen Beratungsschein. „Mitwirkungspflicht der Frau“ heißt dies. Zudem sollen künftig Ärzte nur maximal 25 Prozent ihrer Einkünfte aus Schwangerschaftsabbrüchen bestreiten dürfen. Diese Vorschrift bedeutet das Aus für die beiden noch existierenden ambulanten Abtreibungspraxen in München und Nürnberg. Dort werden 60 Prozent der insgesamt 9.500 Schwangerschaftsabbrüche pro Jahr in Bayern durchgeführt. Die Klage der beiden Ärzte gegen den bayerischen Sonderweg ist beim Bundesverfassungsgericht anhängig.

„Bisher müssen sich die Frauen unserer Region einen ganzen Tag freinehmen, um nach München und Nürnberg oder gleich nach Österreich zu fahren“, weiß Erika Träger von der Passauer Pro Familia. Pro Familia ist in der Bischofsstadt nicht als offizielle Beratungsstelle anerkannt. Nur beim städtischen Gesundheitsamt gibt es einen Beratungsschein – und bei der Caritas. Dort, so berichten Betroffene, werden Frauen bis zu zwei Stunden bearbeitet, um sie umzustimmen. Adressen von Ärzten oder Kliniken, nicht einmal die in Nürnberg und München, gibt die Caritas sowieso nicht weiter.

„Wir beraten selbstverständlich neutral“, betont Margit Wieden, seit 15 Jahren Beraterin bei der Caritas. Doch ganz nach der Linie der Bischofskonferenz, die in kirchlichen Beratungsstellen nur „eine Chance, Leben zu retten“, sieht, hat auch Wieden ihre persönliche Erfolgsbilanz erstellt. Von 180 Frauen, die im letzten Jahr zur Beratung bei ihr waren, haben 45 die Schwangerschaft fortgesetzt.

Um die „untragbare Situation“ in Bayern zu entschärfen, will Erika Träger, die für die Grünen im Stadtrat sitzt, noch einmal die Zulassung von Pro Familia beantragen. Viele Frauen vor allem aus ländlichen Gegenden seien inzwischen stark verunsichert. Um den Frauen aus Passau und Umgebung die langen Wege zu ersparen, will sie im Stadtrat beantragen, daß im städtischen Klinikum endlich ein Arzt eingestellt wird, der Abbrüche durchführt. An einen Erfolg glaubt sie nicht, denn von der Passauer SPD und deren Oberbürgermeister Willi Schmöller ist keine Unterstützung zu erwarten. Immerhin wird die SPD-Landtagsabgeordnete Gudrun Peters auf der Demonstration gegen den bayerischen Sonderweg reden, und die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen gehört zu den Aufruferinnen.

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