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Musik von der Wiege der Klassik

■ Der Klang unserer Orchester kommt aus Böhmen: Das Festival „Pro Musica Antiqua“läßt die Gründe erklingen

Der Musikliebhaber verbindet heute mit Böhmen die Musik von Antonìn Dvoràk, Friedrich Smetana und Leòs Janacék. Vielleicht ist in seinem Bewußtsein aber auch die Uraufführung von Mozarts „Don Giovanni“1787 in Prag. Wenn wir aus den berühmten Musik-Reiseberichten Charles Burneys aber erfahren, daß er Böhmen als das „Konservatorium Europas“empfand, muß da noch mehr los gewesen sein. Im Zuge der zahlreichen Annäherungen an die noch vor 1989 fast verschlossenen Länder begab sich deshalb der Redakteur für alte Musik von Radio Bremen, Helmut Schaarschmidt, für die diesjährige „Pro Musica Antiqua“auf Spurensuche.

Er sichtete Manuskripte und Erstdrucke, kontaktierte Ensembles und MusikerInnen: Die 21. „Pro Musica Antiqua“will den Beweis antreten, daß die Wiege der klassischen Musik in Böhmen stand – einem Land, das seit 1620 unter der Vorherrschaft der Habsburger stand und deswegen noch im ganzen 18. Jahrhundert deutsch geprägt war. Auf der anderen Seite stand der Einfluß der Emigranten: Einer, ohne den die Entwicklung der klassischen Sinfonie nicht denkbar wäre, war Johann Wenzel Anton Stamitz, der mit seiner „Mannheimer Schule“als Kompositionsgrundlage zum ersten Mal eine verbindliche und vollkommen neue Orchesterbesetzung festlegte. Von Stamitz wird beim Festival die „Missa solemnis“zu hören sein.

Oder der damals prominente Georg Anton Benda, dessen Melodramen Mozart „wahrhaft fürtrefflich“nannte. Bendas „Romeo und Julia“– ein Wechsel zwischen gesprochenen Dialogen und Arien – wird im Theater am Goetheplatz konzertant aufgeführt: Es ist die erste bekannt gewordene Vertonung des Shakespeare'schen Dramas.

Was wäre die Violinmusik ohne Heinrich Ignaz Franz Biber, der die „Scordatur“, die Umstimmung der Saiten zur Klangfarbendifferenzierung, so virtuos und systematisch nutzte wie kein anderer? Und wer weiß eigentlich, daß Joseph Haydn seine erste Sinfonie in Böhmen am Hof des Grafen Morzin schrieb? Ludger Rémy hat das herausgefunden, er wird mit seinem Ensemble „Les Amis de Philippe“im Eröffnungskonzert am Freitag neben dieser Sinfonie repräsentative Orchesterwerke aus Böhmen spielen.

Außerdem hat Helmut Schaarschmidt die große alte Dame des Cembalos, Zuzana Ruzickova eingeladen, die mit ihrem Schüler Pavel Matys unbekannte Musik aus Prag mitbringen wird. Mit diesem Programm möchte Radio Bremen, so Programmdirektor Hermann Vinke, seine „Aufgabe zur Wiederherstellung Europas“übernehmen. Ein von den Gattungen und Besetzungen vielseitiges Programm erwartet die Bremer, und mit Sicherheit wird man feststellen können, daß nicht jeder, den wir heute mit „Kleinmeister“bezeichnen, auch einer war. Zumindest die zeitgenössischen Dokumente sprechen eine andere Sprache. Organisiert hat die acht Konzerte in der Woche vom 25. April bis zum 4. Mai Radio Bremen ganz allein, und darauf ist Hermann Vinke besonders stolz: „Wir wollen einfach nach der gelungenen Pro Musica Nova vom vergangenen Jahr zeigen, wie leistungsfähig unsere Musikabteilung ist“. Nicht jede Antiqua der letzten Jahre war hinreichend spannend, dem Programm nach zu urteilen könnte das diesmal anders sein.

Ute Schalz-Laurenze

Eröffnungskonzert am 25. April um 20 Uhr in der Oberen Rathaushalle

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