Women in (E)motion zwischen Blues-Lady und Polka-Mama

■ Traditionelle Bremer Konzertreihe präsentierte am Wochenende Del Rey, Daisy DeBolt, Gwen Swick und Ellen McIlwaine

Zwei recht unterschiedliche Künstlerinnen präsentierte „Women in (E)motion“am Freitagabend im Moments. Sängerin und Gitarristin Del Rey entdeckte schon mit 13 Jahren den rauhen Charme des Countryblues, seither widmet sie sich seinen diversen Varianten. Dabei begibt sie sich auch auf Spurensuche nach dem Beitrag von Frauen. So bilden Songs von Memphis Minnie, einer der großen Bluesladies der 20er/30er Jahre, eine wichtige Quelle ihres Repertoires. Memphis Minnie war nicht nur Sängerin, sie spielte auch eine wilde Gitarre, so stach sie z.B. bei einem Blueswettbewerb in Chicago Big Bill Broonzy aus. Sie reicherte den Delta-Blues mit Jazz- und Vaudeville-Elementen an und gehörte damit zu den BegründerInnen des Chicago Stils. Auch Del Rey bewies Fingerfertigkeit und spielte sich durch ein variationsreiches Countrybluesprogramm aus Standards und Eigenkompositionen, garniert mit ironischen Zwischenansagen u.a. über „role models“von Gitarristinnen.

Das Trio der 51jährigen Kanadierin Daisy DeBolt schlug dann andere Töne an. Mit Larry Stanley am Piano und Rod Booth an der Geige gestaltete die Sängerin, Gitarristin und Akkordeonspielerin einen eindringlichen Set, bei dem die stilistische Zuordnung schwerfällt. Zwar gab es auch Polka-, Hillbilly- und Cajun-ähnliche Klänge zu hören, aber am Freitag standen eher Lieder im Zentrum, die sich fast singspielartig zwischen Gesang und rezitativen Momenten bewegten. Teilweise handelte es sich denn auch um vertonte Gedichte. u.a. eines von Michael Ondaatje über das tragische Schicksal eines Riesen aus Saskatchewan. Dabei wechselten Gesang und Musik zwischen zarten, melancholischen und dramatischen, manchmal fast aggressiven Passagen, in denen DeBolts Stimme sich in gellende Höhen schraubte. Eine schillernde, Stimmungen und Dramatik auslotende Musik, in der sich vielfältige Stilpartikel mal zu einer eigenwilligen Melange verbanden, mal einfach nebeneinander standen.

In Kanada scheint es Frauen leichterzufallen, sich im Musikgeschäft mit eigenen Stilen und Gruppen durchzusetzten. Und so beherrschen die Kanadierinnen von Jahr zu Jahr mehr das Programm von „Women in (E)Motion“. Holly Cole und Veda Hille begeisterten im letzten Jahr, und nach Daisy DeBolt wurde das zweite Doppel-Konzert der Reihe von Frauen aus Ontario und Calgary bestritten. Gwen Swick schreibt und singt Lieder von einer eigenartig kühlen Schönheit. Mit zwei Begleitsängerinnen, einem extrem originellen Gitarristen und einer Rhythmusgruppe spielte sie eine sehr feinsinnige Mischung aus Folk, Rock und Countrymusik, die bei jedem Song eine andere Färbung und Grundstimmung bekam. Ihre Musik scheint aus einem poetischen Impuls zu entstehen. So erzählte sie im „Vacuum Song“von den Kindheitserinnerungen, die das Summen eines Staubsaugers bei ihr auslösen. Ein anderer Song wurde von einem Zeitungsartikel über eine Nonne inspiriert, die nach 50 Jahren den Beruf wechselte, um als Kosmetikerin zu arbeiten. Ihre Musik ist verspielt und intellektuell, aber dabei nie kopflastig. Und auch wenn die meisten ihrer Songs eher intim und melancholisch wirkten, gab es viele überraschende Stimmungswechsel. So etwa bei einem wunderschön albernen Lied über ihre Katzen, bei dem viel gekratzt und miaut wurde – Katzenmusik im wahrsten Sinne des Wortes.

Nach diesem eher romantisch-besinnlichen Auftritt wirkte die Musik von Ellen McIlwaine erst einmal wie ein Schlag in die Magengrube. In Cowboystiefeln, mit Ring in der Nase und Kaugummi im Mund spielte sie eine extrem macho-klingende E-Gitarre. Eines ihrer ersten Lieder widmete sie auch gleich der Lederunterwäsche von Snake Plissken, dem Helden des Actionfilms „Die Klapperschlange“. Ihre Technik auf der Slide-Guitar war virtuos, bei jedem Song häuften sich die instrumentellen Kunststückchen, und mit einer Prise Reggae, ein wenig Jimi Hendrix und einem Song von Johnny Lee Hooker zeigte sie auch eindrucksvoll die Bandbreite ihrer Musik. Bewunderungswürdig war die Begleitung durch Schlagzeuger Randall Coryell und Bassist Leo Valvassori, die zu Gwen Swicks Band gehörten, und für diesen Gig nur mit einem zugesandten Tonband üben konnten. Aber bei aller Schnelligkeit und Lautstärke blieb der Auftritt dann doch erstaunlich blaß. Es war wohl kein guter Tag für Ellen McIlwaine: sie hatte Probleme mit ihrem Verstärker und war sichtlich nervös. Doch die ganze pyromanische Show in Gitarrentechnik wirkte auch seltsam antiquiert. Jetzt wissen wir, daß auch eine Frau so spielen kann, wie es die halbwegs gescheiten Gitarristen spätestens in den 80er Jahren aufgegeben haben. Beweis erbracht, aber viel mehr auch nicht!

Farina / Wilfried Hippen