piwik no script img

Der Nichtempfänger meldet sich nicht Von Ralf Sotscheck

Es wird höchste Zeit, die Tories zum Teufel zu jagen. Da versprechen sie nun seit Wochen täglich das Blaue vom Himmel – genau wie beim letztenmal vor fünf Jahren. Eine „Bürger-Charta“ hatte Premierminister John Major damals zugesagt, Dienstleistungsbetriebe zuverlässiger und transparenter zu machen. Ha!

Nehmen wir zum Beispiel die Post: Im vergangenen Sommer gab ich im Flughafenpostamt London- Heathrow zwei Einschreibbriefe nach Deutschland auf. Einer kam an, der andere nicht. Auf meine Nachfrage bat man höflich um die Einsendung des Einschreibzettels, was ich umgehend erledigte – noch eingelullt von der geschulten Vertrauenserweckungsstimme. Damit war der Fall jedoch erledigt: Als ich mich Wochen später telefonisch nach dem Stand der Nachforschungen erkundigte, verlangte ein Herr Smith die Einsendung der Einschreibquittung. Meinen zuversichtlichen Einwand, daß er ihm längst vorliegen müsse, beantwortete er mit einem hämischen „Tut-er-aber-nicht“. Ich wette, er hat dabei gegrinst und meinen Einschreibzettel genüßlich zerknüllt.

In der völlig unbegründeten Hoffnung, daß es sich bei diesem Posträuber um einen Einzelfall handelte, schickte ich ein Buch per Nachnahme nach Cornwall an der Südwestspitze Englands. Dort gibt es nämlich einen Kleinverlag, der Bücher nur gegen Vorauszahlung versendet. In meinem Fall kam nach der Bezahlung jedoch erst mal gar nichts. Anderthalb Jahre später traf das Werk dann doch noch ein, nur war es inzwischen doppelt so teuer wie ursprünglich. Weil ich mich nicht schon wieder hereinlegen lassen wollte, sandte ich das Päckchen per Nachnahme an den Buchbetrüger zurück. Damit war ich nicht nur das Buch los, sondern auch meine Vorauszahlung und die immens hohen Portokosten.

Zwar schickte ich diesmal nicht die Originalquittung ein, denn auch ich werde manchmal durch Schaden klug, aber in diesem Fall nützte mir das nichts. Monate später erhielt ich einen Brief, in dem mir mitgeteilt wurde, daß man im Rahmen der Nachforschungen von dem Buchhändler eine „Erklärung über das Nichterhalten einer Sendung“ verlangt habe. Da der Nichtempfänger jedoch nicht geantwortet habe, könne man leider rein gar nichts mehr unternehmen. Parcelforce, wie sich die Päckchenverschlamper nach Trennung von der Briefpost nennen, bedauere die Unannehmlichkeiten, die man mir, dem „lieben Kunden“, möglicherweise bereitet habe. Unterschrieben war der Brief von „Kathleen Strain 1“. Wieso „1“? Haben die bei Parcelforce mehrere davon? Dann ging mir ein Licht auf: ein Künstlername, der benutzt wird, wenn man schlechte Nachrichten überbringen muß. Nun verstehe ich auch den Ursprung der Redewendung „to put a strain on somebody“ – jemanden einer Zerreißprobe unterziehen. Wenigstens haben die Päckchenmarder einen gewissen Sinn für Humor.

Eigentlich wollte ich vorige Woche lediglich meine Bewunderung für die ungemein simple Methode zur Sanierung des maroden Unternehmens ausdrücken, doch ich erfuhr bei meinem Anruf, daß Frau Strain nicht mehr bei Parcelforce arbeite. Sie sei jetzt bei John Major, um Beschwichtigungsbriefe an die Tory-Abgeordneten wegen verlorengegangener Unterhaussitze zu formulieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen