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Ein Weltmeister wird er nicht

Nach dem unspektakulären Punktsieg gegen Valdes hat Schwergewichtsboxer Axel Schulz nur eine Option: Ein Rematch gegen den guten alten Foreman  ■ Aus Leipzig Peter Unfried

Jorge Valdes ist ein freundlicher Mann. „Das ist nichts Persönliches“, sagt er, und man sieht ihm an, das er es ehrlich meint. „Ich versuche, ihm seinen Kopf runterzureißen, er versucht, mir meinen Kopf runterzureißen.“ Was ist das? „Das ist“, sagt Valdes, „ein Geschäft.“

Valdes (30) ist Geschäftsmann aus Hialeah, Florida. Er hatte sechs Monate nicht geboxt und also kein Geld verdient. „Um ganz ehrlich zu sein“, sagte er hinterher, „ich brauchte den Kampf.“ Um noch ehrlicher zu sein: Etwas Besseres hätte ihm kaum passieren können. 80.000 Dollar hätte er sonst nirgends gekriegt – und der Kopf saß noch prima auf dem Rumpf, gestern früh in Leipzig. Sind Sie verletzt, Jorge? So was ist normalerweise entweder die überflüssige Frage der Woche – oder die eines Blinden. Aber Valdes saß offenbar unversehrt, zuckte mit den Axeln und sagte: „You know...“

Natürlich wissen wir. Axel Schulz aus Bad Saarow, Germany, ist nicht eben ein gefürchteter K.o.- Schläger. Er ist, sagt Valdes, „ein guter Boxer“, aber, you know, „kein starker Puncher“.

Schulz (28) ist gewissermaßen ein Fossil, der letzte Mohikaner aus der hohen Wolke-Schule des Faustkampfes: ein konditionsstarker, organisierter Kämpfer, der aus der Distanz den Kampf dirigiert und dabei kalten Herzens punktet. Keiner, der sich an eigenen sogenannten Wirkungstreffern berauscht, dem das Blut in den Kopf schießt und dort das Wörtchen „kill“ produziert.

Geringfügig weniger deutlich, als das die deutschen Punktrichter wiedergaben (100:90, 100:90, 100:91), hat Schulz also Valdes zehn Runden lang ausgepunktet. Nicht weniger, nicht mehr.

Mehr wäre aber nicht schlecht, um dem Boxer noch rosigere Perspektiven zu eröffnen. Schulz ist nämlich ein Phänomen. 6.000 kamen auch dieses Mal in die Messehalle 7, ihn zu bejubeln, zu kosen und liebzuhaben. Dreimal hat Schulz um eine WM boxen dürfen. Dreimal natürlich nicht gewonnen. Wie kam er eigentlich noch mal dazu? „Es ist nicht die Frage, was du machst, sondern wen du kennst“, sagt dazu Valdes. Er kennt keinen. Wird auch keinen mehr kennenlernen nach seiner dritten Niederlage im 26. Kampf. Schulz aber (28 Kämpfe/23 Siege) wird irgendwann eine vierte WM- Chance kriegen. Zwar nicht gegen Evander Holyfield. Aber es gibt ja auch noch George Foreman. Der hat Samstag nacht einen Titel verteidigt, jenen der WBU nämlich, was immer das sein mag. Gegen einen einstigen Sparringspartner von Schulz.

Im übrigen ist es auch so, daß der Promoter Wilfried Sauerland, wo immer er hin kommt, auf jenen Kampf angesprochen wird, in dem vor fast genau zwei Jahren Schulz in Las Vegas Foreman knapp unterlag. „Die Revanche“, sagt Sauerland, „steht im Raum.“ Schulz sieht das nicht ganz so. Andererseits beginnt er seine Sätze gerne mit der Einleitung: „Wie mein Manager schon sagte.“ Foreman ist zwar mittlerweile 48 und, wie selbst Schulz-Trainer Wolke zugibt, „sehr langsam geworden“, doch dafür steht er in relevanten Ranglisten.

Und um die Diskussion abzuschließen, bevor sie aufkommen kann: Nach den Prämissen von Informationsdirektor Hans Mahr („Den kennen die Leut'“) könnte RTL den Kampf bestens verkaufen. Wenn selbst am Samstag 8,5 Millionen hinkuckten! Ein anderer wird sich im übrigen nicht finden.

Daß Schulz durch Kämpfe wie zuletzt gegen Ribalta und nun Valdes einen „Sprung nach vorne“ macht, ist im RTL/Sauerland- Camp eingeübte Redensart geworden. Der Boxer selbst, wenn er den Blick unter der Mütze ins Auditorium wagte, sagte, er denke schon, dieser Kampf habe ihn vorwärts gebracht, „ein bißchen“. Schulz, das werfen ihm alle vor, finde den K.o-Schlag nicht, weil er ihn nicht suche.

Wolke hatte schon während des Kampfes geschrien: „Warum kommst du nicht?“ Schulz sagt, in seinem Kopf sei „eine Bremse“. Im Juni soll er noch einmal Gelegenheit zum Üben kriegen. Im übrigen hat auch RTL-Analysator Henry Maske zu seiner Zeit nicht für einen möglichen K.o.-Schlag einen klaren Punktsieg riskiert.

Die Frage, wie gut der einstige Amateur-WM-Dritte tatsächlich ist, kann niemand besser als Valdes beantworten. Vor einem Jahr hat er schon einmal einen etwas größeren Kampf machen dürfen. Gegner war ein gewisser Larry Donald (USA), der ihn in Runde sechs ausknockte. Wer Donald ist? Valdes weiß, was er ist: „Schneller, stärker, besser“ als Schulz.

Ob der das in den USA lernen könnte, was ihm Wolke in Frankfurt (Oder) nicht beibringen kann? „Ein Weltmeister wird nicht aus ihm“, sagt Valdes, aber er denke, Schulz werde „Gelegenheit kriegen, eine ganze Menge Geld zu verdienen.“ Mehr als vom Gegner ist der US-Amerikaner von Veranstalter Sauerland und dessen Matchmaker Jean-Marcel Nartz begeistert. „Don King kann eine Menge von ihnen lernen“, sagte er. Da muß was dran sein. Hat nicht selbst Max Schmeling einst zu Schulz gesagt: „Ihr Manager muß ein Großer sein.“

Vielleicht darf Jorge Valdes, weil er so freundlich war, mal als Sparringspartner wiederkommen. Das wäre nicht schlecht. Gerade läßt er sich scheiden. Dann muß er für Frau und drei Kinder zahlen. Wegen seines Längennachteils nennen ihn manche wohlmeinend „Mini-Tyson“. Der ist auch kein Riese. „Vielleicht“, sagte Sauerland lächelnd, „ist ja auch Tyson mal Axels Gegner.“

Wilfried Sauerland ist eigentlich ein besonnener Mann. Also: Er besorgt Äxeeel seinen Kampf. Aber er wird es nicht zum Schlimmsten kommen lassen.

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