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„Er wies sich nicht als Detektiv aus“ 

■ Vorwürfe gegen Karstadt-Hausdetektive / Diebin fühlte sich genötigt: Diebstähle zugeben oder Haussuchung

Helga Nöldner ist außer sich. Seit die 47jährige Leiterin eines Bremer Schreibbüros von vier Karstadt-Kaufhausdetektiven in einer Zelle eingeschlossen wurde, will sie Wiedergutmachung. „Das Hausverbot gegen mich soll aufgehoben werden und die Sicherheitsleute sollen zur Rechenschaft gezogen werden. Die haben sich doch nicht unter Kontrolle.“

Das belegt aus Nöldners Sicht ein Vorfall vom April. Da traf sie sich für journalistische Recherchen mit einer Obdachlosen im Karstadt-Restaurant. „Plötzlich stehen eine Frau und ein Mann hinter mir und fordern mich auf mitzukommen.“Erst habe sie geglaubt, ihre Begleiterin sei gemeint. Daß es um sie selbst ging, begriff sie aber im Zimmer der Detektive. „Die hielten mir vor, daß ich im Februar einen Aktenvernichter geklaut haben soll.“Aber sie habe das 50-Marks-Gerät eine Woche zuvor gekauft und wollte es reklamieren. Die Quittung hat Nöldner noch.

Weil sie den Bon vergessen hatte, fiel die Reklamation aus. Doch vor Karstadt gab es eine „ärgerliche Rempelei mit einem ausländischen Mann“. Nöldner erinnert sich: „Der sagte, er sei Hausdetektiv, wies sich aber nicht aus. Ich dachte, der wollte mich blöd anmachen.“Sie verbat sich dies. Als aber immer mehr „so Mafiositypen auftauchten“, sei sie hilferufend geflüchtet – und entkommen. „Ich hatte Angst vor Raub.“

Was Nöldner erst im April im Dienstzimmer der Detektive erfuhr: Karstadt erstattete Anzeige gegen sie. Daraufhin habe sie sofort nach Polizei und Anwalt verlangt. „Aber die haben mir gesagt: Anwalt erst wenn Polizei da“, schimpft Nöldner. Die Polizei sei aber erst nach einer Stunde gekommen. „Ich war so froh, endlich einen echten Polisten zu sehen. „Das war als ob ein schlechter Film aufhört“, berichtet sie. Sie habe richtige Angst bekommen, nachdem die Männer sie brutal auf den Boden der Zelle geworfen hatten. „Ich hatte denen gesagt, daß sie mich nicht beliebig lange festhalten können“, blickt sie zurück. Doch als sie gehen wollte, seien die Männer auf sie losgegangen. Über die Folgen hat sie ein Attest über mehrere Prellungen.

Karstadt-Chef Günter Kirsch will zum schwebenden Verfahren nicht viel sagen. Der Darstellung der Frau widerspricht er. Allerdings gehöre dieser Fall wohl „in die Schublade der besonderen und renitenten Fälle“. Die Zelle, in der die ehemalige Kundin landete, sei vor allem zum Schutz der Sicherheitsleute eingerichtet worden. Auch beim Vorwurf des Diebstahls vom Februar will erbleiben: „Unsere Leute stellten die gestohlene Ware sicher. Deshalb konnte die Frau entkommen.“

Auch in einem zweiten Fall hat Kirsch keinen Zweifel am Tun seiner Wachleute: Eine bis Februar unbescholtene Frau wurde beim Diebstahl erwischt. Daß die 43jährige in der Obhut seiner Sicherheits leute zwei Stunden lang aufgefordert wurde, sich zu überlegen, für welche weiteren Diebstähle sie noch zahlen wolle, hält er schlicht „für gelogen“. Nach seinem Protokoll wurde die Ware am Diebstahlstag um 16 Uhr 40 bezahlt. Dabei sei die Polizei innerhalb von 11 Minuten vor Ort gewesen. Die geständige Diebin ist hell empört. „Ich habe 20 Minuten vor Etiketten von angeblich geklauten Waren gesessen. Ein Sicherheitsmann hat mir gesagt, ich soll nachdenken, was ich noch geklaut habe.“Er habe mit einer Hausdurchsuchung gedroht. Erst zwei Stunden später sei die Polizei gekommen. ede

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