Die Baumarktbeilage. Heute: „Renovierungsangst“ Von Fritz Eckenga

Guten Tag. Meine Name ist Peter- Hans Kaltenbecher. Als Leiter einer führenden Filiale einer namhaften Baumarktkette im westlichen Westfalen, also östliches Ruhrgebiet, was aufs selbe rauskommt, möchte ich sozusagen einmal aus professioneller Perspektive eine Stellung beziehen zum Problem der Angst des Heimwerkers vor Renovierungsarbeiten.

Was soll ich dazu sagen?! Ich muß es ja wissen, bin ich doch in der Bekämpfung dieses psychologischen Problems gewissermaßen im Nebenberuf wie ein therapeutischer Spezialist an vorderster Front täglich tätig. Es ist nämlich so, daß sich in der modernen Gesellschaft, wie sie sich uns heute als ein einziger Krankheitserreger präsentiert, eine Verunsicherung breitmacht, die vor allem, was eine Herausforderung an die Persönlichkeit darstellt, sich vor lauter Angst in die Buxe macht. Und diese labile Jammerlappigkeit zieht durch alle Bereiche, die einem im Leben das Dasein versauen: Arbeitsplatzverlustangst, Steuerhinterziehungserwischtwerdenangst, Alleinenachtsaufdiestraßegehenangst, Rindfleischverzehrangst, Bundesligaabstiegsangst bis hin in die intimsten Privathaushalte dann nämlich auch noch als Angst vor der Niederlage der eigenen Potenz angesichts einer Frau, die einem dann wegläuft vor lauter Lachen.

Und wenn nämlich diese Persönlichkeitskrise einmal so von einem ganzen Menschen Besitz ergriffen hat, bekomme ich die furchterregenden Resultate zum Schluß als schlotternde Kundschaft in meinem Baumarkt quasi als Schwerstpflegefälle angeliefert. „Herr Kaltenbecher“, stehen sie dann jammernd bei mir rum, „Herr Kaltenbecher, ich müßte schon seit Monaten mal wieder das Wohnzimmer neu machen, es ist alles so vergilbt, aber ich trau' mich nicht, ich hab' so Angst, daß ich alles falsch mach' und rumklecker', und dann ist der Teppich versaut, und dann muß ich den Boden neu machen, und das schaff' ich bestimmt auch nicht, Herr Kaltenbecher, ich bin ein Versager, ich glaub', es hat alles keinen Sinn mehr, können Sie mir nicht was empfehlen, womit ich mich preiswert umbringen kann?“

Tja, und dann steh' ich dann da und muß diesem bedauernswerten Geschöpf den Arzt machen und sozusagen alles, was die Gesellschaft an diesem Mann verbrochen hat, als Kohlen aus dem Feuer holen. Aber wissense was, ich tu's ja gerne. Denn ich habe ja die Möglichkeiten. Ich drücke diesen Opfern der Zivilisation als erste Hilfe erst mal ein Mörderding von einer Flex in die Hand, wissense, dieses Gerät, mit dem man alles durchtrennen kann und das selbst durch dicke Winkeleisen und Betonstürze durchflutscht wie ein Stielkamm durch die gute Butter. Und dann sag' ich ihm: „Komm hier, nimm mit, leih' ich dir umsonst fürs Wochenende. Und damit zerlegst du erst mal ganz gepflegt deine komplette Wohnung, bis nix mehr so ist, wie's mal war. Leg einfach alles flach und klopp alles kaputt. Und wenn du das geschafft hast, dann hast du keine Angst vor nix mehr. Dann weißt du, daß alles möglich ist. Und dann kommste am Montag zu mir in Baumarkt, und ich stell dir zum Vorzugspreis das komplette Material zusammen, was du für den Wiederaufbau brauchst.“ Und damit ist uns allen mal wieder schön geholfen. Immer für Sie da!