■ Neue Phrasenblähungen einer bekannten Minsterin
: Zweifel am Sinn der Politik

Diese Welt möchte partout mit Phänomenen aufwarten, die in ihrer grenzenlosen Rätselhaftigkeit nicht zu durchschauen sind. Eines jener unauslotbaren Ereignisse ist ohne jeden Zweifel Regine Hildebrandt. Sprachkritiker haben ihr ins Aberwitzige, ins Phantastische gesteigertes Genöle auseinanderzulegen versucht, um das Elend zu bannen. Doch die Ministerin wirft bereits wieder den Kopf nach hinten, fährt ihre Schaufelhände in Position und zieht stramm vom Laberleder.

Damit ausnahmslos jede und jeder ohne Pause davon Kunde erlangt, was ihr justament durch den Schädel rauscht, hetzt der Familienmensch Hildebrandt nun die beiden Töchter auf, sie möchten bitte aus Zeitungen, Radio- und TV- Mitschnitten, Vorträgen, Verbandsmitteilungsheften und persönlichen, bislang unveröffentlichten Briefen die dezidiert schönsten Stellen zusammensuchen. Das Buchsimulationsunternehmen Econ verleimte den Plunder und knallte ihn unter dem famosen Titel „Herz mit Schnauze – Sprüche und Einsprüche“ für 29 Mark 80 in die Wühltische. Wann und wie aber kümmert sich die Daueraussenderin „frecher Sprüche“ (Berliner Zeitung) eigentlich um ihren Job bzw. jene verkümmerten Ostseelen, denen sie ihr karitatives Wesen nach eigenem Bekunden pausenlos offenbart? Indem man wochenlang mit Günter Grass beim Kaffee hockt und unveröffentlichte Gesprächsprotokolle produziert? Oder Ende 1994 eine Talkshow in der Klinik Bad Trissl bestreitet, auf daß sämtliche Themenbereiche des baldigen Buches vorab coram publico „angeschnitten“ werden, beispielsweise „Politik“, „Parteien“, „Regine Hildebrandt über sich“ und „Regine Hildebrandt über alles“?

Und wer hat denn dann hinterher all die Zeitungsschnipsel, Tonbänder und Videotapes gesammelt und in Schuhkartons gestopft? Sie selbst, die eitle Trulla? Oder waren's die „Herausgeberinnen“, ihre Töchter? Wäre das nicht Kinderarbeit gewesen? Was sagt die Sozialministerin dazu?

„Ick sach' ma, ick war nie uff der Seite der Bonzen, wa!“ Das könnte sie durchaus sagen. Sacht se aber nich. Sondern sacht in einem Brief an Frau L. vom 23. Mai 1996: „Gerade nach zwei Tagen Landtagssitzung zweifelt man manchmal am Sinn der Politik.“ Hm, grübelt unsereins gleich, denn hier beginnt das Buch, was bedeutet das, wo liegt der tiefere Sinn solcher Sentenz?

Regine „Hilde“ Hildebrandt steckt jedoch schon wieder mitten in einem neuen Vortrag, diesmal an der Urania in Berlin. Ungeschminkt analysiert sie: „Die Bürokratie ist es, die die investitionswilligen Leute zur Weißglut treibt.“

Und die erste von 208 Seiten ist voll.

Wieso, frage ich mich, gibt meine Freundin eigentlich nicht mal 'nen Band „Jürgen Roth: Clowneske Ansichten und sperriges Spruchwerk“ heraus? Mit „kantigen Anmerkungen“, „komischen Einwürfen“ und „empörten Kommentaren“? Nachzuschlagen wäre da etwa, was mir neulich beim Kaffeekochen unvorhersehbarerweise einfiel: „Wenn das Pulver signifikant weniger wird, muß man einkaufen.“

Andererseits spielt Regine Hildebrandt entspannungshalber zusammen mit ihren Herausgeberinnentöchtern Blockflöte, findet Ulrich Wickert „intelligent, geistreich, aufgeschlossen“ und hat wahnsinnig was auf der Pfanne. Da komm' ich nie und nimmer mit. Dat is, ich sach ma, nich jedermanns Bejabung, wa, sone Riesengoschn, aus der durchaus mal so ziemlich unbequeme Einsprüche herausbröckeln: „Herzlichen Dank für die schönen Fotos vom Spielplatz. Dafür halte ich gerne Vorträge, daß hinterher Spielplätze entstehen“ (S. 17), oder „Normalerweise sind für mich Mitläufer ganz traurige Phänomene.“ Usw. ad eternity. Jürgen Roth