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Jazz aus dem Lehrbuch und mit Gefühl

■ Bei dem Abschlußkonzert von „Women in (E)Motion“traten zwei skandinavische Jazzmusikerinnen auf

Größer konnte der Gegensatz kaum sein. Dabei schienen auf den ersten Blick Amanda Sedgwick und Trine-Lise Vaering einander ideal für ein Doppelkonzert für „Women in (E)Motion“zu ergänzen. Zwei junge Frauen aus Skandinavien, beide spielen Jazz, beide gelten in ihren Heimatländern Schweden und Dänemark als große, neuentdeckte Talente: Da konnte man hoffen, daß beide eine gemeinsame Wellenlänge finden würden. Daß es nicht dazu kam, kann man im nachhinein begrüßen, denn die Saxophonistin aus Stockholm und die Sängerin aus Kopenhagen hätten sich musikalisch kaum etwas zu sagen gehabt.

Emotionen konnte Amanda Sedgwick mit ihrem Auftritt kaum wecken. Mit geradezu akademischer Strenge spielte sie ihre Soli auf dem Altsaxophon und der Klarinette: Bei jedem Ton hörte man in erster Linie den Ehrgeiz der Musikerin heraus, alles möglichst anspruchsvoll und richtig zu machen. Die einzelnen Stücke, egal ob nun durch skandinavische Folkmusik oder den Souljazz von Horace Silver inspiriert, mündeten in die gleiche Abfolge von langen Soli, und die beachtlichen technischen Finessen der Musikerin konnten den Auftritt nicht vor einer sich schnell entwickelnden Eintönigkeit retten. Ein Hauptproblem des Auftritts war eindeutig die Instrumentierung. Man muß ein sehr guter und abwechslungsreicher Instrumentalist sein, wenn man in einem Quartett mit Rhythmusgruppe und zwei Bläsern, also ohne Piano oder Gitarre, einen Set interessant gestalten will. Hier aber beschränkten sich der Bassist und der Schlagzeuger ganz konservativ auf die Begleitung und der Trompeter und die Saxophonistin auf ihre Soli. Diesem blutleeren Spiel mit Stilen und Techniken entsprach auch die für dieses Festival ungewohnt distanzierte Bühnenpräsenz der Musikerin. Sie schien eher für sich als für das Publikum zu spielen und bestätigte die gängigen Klischees sowohl vom anstrengend anzuhörenden Jazz wie auch von den frostig kühlen Nordmenschen.

Wie eine Erlösung wirkte danach Trine-Lise Vaerings Auftritt, denn in ihren Songs konnte man es sich wohlig bequem machen, und das, obwohl sie musikalisch mindestens so versiert und anspruchsvoll war wie ihre Vorgängerin. Sie beschränkte sich zwar auf die klassische Rolle der Jazzsängerin mit einer Begleitband aus Piano, Baß und Schlagzeug, aber dennoch gelang es ihr, jede Komposition anders und neu klingen zu lassen. Bei einigen kleinen Koloraturen bewies sie sich auch als virtuose Vokalkünstlerin, aber offensichtlich ist sie eher eine am Text orientierte Sängerin, die mit einer bemerkenswerten Sensibilität die gesungenen Worte auf den emotionalen Punkt brachte. Mit Liedern über vergessene Souvenirs oder eine „traurige Seite im Buch der Liebe“balancierte sie dabei manchmal schon recht nah am Rande des Kitsches, aber ihre Interpretation war dabei immer so frisch und überzeugend, daß es nie seicht oder rührselig wurde. Mit Carsten Dahl hatte sie zudem einen brillanten Pianisten mit dem gleichen hochromantischen Grundgefühl an ihrer Seite, und Bassist Johannes Lundberg begeisterte mit einer wunderschönen Introduktion. Und so blieben seltsamerweise auch die Improvisationen ihrer Mitspieler viel eindrücklicher in der Erinnerung haften als die der ersten Gruppe.

Wilfried Hippen

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