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„Die Umwelt behindert uns“

■ Bremer Behinderte fordern Beauftragten / Protestfahrt zeigt Probleme im Alltag auf

Geschickt bugsiert Edith Ahlf ihren Elektro-Rollstuhl am Zentralen Omnibus-Bahnhof vor die hintere Tür des Busses. Der Wagen der Weser-Ems-Busverkehrsgesellschaft hat an der Hintertür einen vielversprechenden Behindertenaufkleber. Benutzen kann Edith Ahlf das Vehikel trotzdem nicht. Zugegeben: Der Bus neigt sich ein wenig zur Seite. Dennoch bleibt eine unüberwindbare Barriere von 15 Zentimetern.

Solch unüberwindliche Hindernisse machen Behinderten das Leben unnötig schwer. Um auf solche und andere vielfältige und vielschichtige Malässen des Alltags hinzuweisen, zeigten gestern Vertreter von unterschiedlichen Bremer Behindertengruppen verschiedene Probleme vor Ort auf.

Anlaß dafür ist der Tag der Behinderten am Mittwoch. Dann wollen die Bremer Behinderten vor der Bürgerschaft demonstrieren. Zudem fordern sie die Einrichtung eines Behindertenbeauftragten. „Diese Stelle sollte vom Parlament installiert werden, damit sie unabhängig von den verschiedenen Senatsressorts ist. Außerdem wäre die Anbindung an ein Ressort unsinnig, weil die Probleme zu zersplittert sind“, sagt Wilhelm Winkelmeier vom Arbeitskreis Bremer Protest gegen die Diskriminierung und für die Gleichstellung behinderter Menschen.

Dazu existiert bereits ein Beschluß der Sozialdeputation. Der Ausschuß beschloß gegen die Stimmen der Grünen folgendes Konstrukt. Ein sogenannter Ombudsmensch, der sich um die Belange der Behinderten kümmern soll, wird dem Petitionsausschuß der Bürgerschaft zugeordnet. Unklar ist, ob dies einer der Abgeordneten ist oder die Stelle ehrenamtlich von den Behindertenverbänden besetzt wird. Zudem sollen behindertenspezifische Probleme ressortübergreifend von der Senatskanzlei koordiniert werden. Und die Behindertenverbände sollen eine noch unbestimmte Summe für eine eigene, verbesserte Koordination erhalten. Die Grünen forderten dagegen, einen parlamentarischen Bürgerbeauftragten einzurichten, der sich auch um die Belange behinderter Menschen kümmern soll. „Dieser sollte über einen eigenen Apparat verfügen, um unabhängig agieren zu können“, so die sozialpolitische Sprecherin der Grünen, Caroline Linnert. „Alles andere wird nur eine Nullnummer.“

Zurück zu der Protestfahrt der Behindertenverbände: Zweite Station nach dem Zentralen Omnibus-Bahnhof ist die AOK-Geschäftsstelle Am Wall. Das Anliegen von Käthe George, Vorsitzende des Landesverbandes Gehörloser, bei der AOK sind Begleitungen von Gehörlosen durch GebärdendolmetscherInnen bei Arztbesuchen. „Die meisten von uns können so gut wie nicht mit ihrem Arzt kommunizieren. Den Dolmetscher müssen wir aber selbst bezahlen, weil die Krankenkassen sich weigern. Und das kostet 120 Mark pro Stunde.“

Der zuständige Abteilungsleiter der AOK, Klaus Kurpanek, sagt dazu: „Wir dürfen die Kosten nach einem Urteil des Bundessozialgerichtes nicht übernehmen.“Grund: Weil Krankenkassen nur ärztliche Behandlungen finanzieren dürfen. Horst Frehe, Richter beim Bremer Sozialgericht und selbst auf den Rollstuhl angewiesen, widerspricht ihm: „Spezielle Lesegeräte für Sehbehinderte werden schließlich auch von den Kassen finanziert.“Immerhin: Teilweise übernimmt das Gesundheitsressort diese Kosten. Im Haushalt 1997 stehen dafür 25.000 Mark zur Verfügung. Einen Rechtsanspruch können die Gehörlosen darauf aber nicht anmelden.

Weiter geht's zur Telekom. Dort beschwert sich Uwe Boysen vom Bremer Blinden- und Sehbehindertenverband über das Netzwerk der Telekom T-Online: „Da diese Computerprogramme immer mehr Grafiken beinhalten, haben wir kaum noch die Möglichkeit, das Angebot über unsere Drucker mit Blindenschrift auszudrucken. Richter Frehe macht Telekomsprecher Klaus Lantin ein Angebot: „Installieren sie zu Beginn ihrer Software eine Abfrage: Nutzung per Grafik oder Schrift.“Telekom-Sprecher Lantin will die Anregung weitergeben.

„Um diese speziellen und viele andere Probleme muß sich in Bremen endlich jemand professionell und in Vollzeit kümmern“, fordert Sozialrichter Frehe zum Abschluß der Rundfahrt. „Das geht aber nur mit einem richtigen Behindertenbeauftragten. Das Konstrukt der Sozialdeputation wird an diesen Zuständen nie etwas ändern.“Allerdings muß sich seiner Auffassung nach dafür auch das Denken der Mitmenschen ändern. „Ich bin körperlich beeinträchtigt. Die Umwelt behindert uns.“ jeti

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