: Der schöne Schein des Exportüberschusses
■ Frankreichs Bauern sind militant, verkennen aber oft die wirklichen Probleme
Die französischen Bauern demonstrieren laufend. Und spektakulär: Sie stürzen Laster mit spanischen Erdbeeren um, schütten italienischen Wein aus, organisieren nächtliche Straßensperren auf der Suche nach außereuropäischem Fleisch, verbrennen Autoreifen vor der Kommission in Brüssel. Aber unzufriedener als ihre Kollegen in den Nachbarländern sind sie nicht. Im Gegenteil: Ihre Produktion ist in den letzten Jahren kaum zurückgegangen. Und wenn, dann nur gegen satte Entschädigungen aus Brüssel und Paris.
„Das ist eine andere Kultur bei uns. In Frankreich wird eben protestiert. Und das gilt für alle Bereiche“, sagt die Sprecherin eines der beiden großen Bauernverbände, CNJA. „Unsere Bauern machen damit auch Öffentlichkeitsarbeit. Das ist nicht immer nur Unzufriedenheit.“ Ihr Kollege von der FNSEA weist darauf hin, daß Frankreich nach wie vor der größte Agrarproduzent und -exporteur der EU ist. Einen kleinen Rückgang in der Produktion gibt es nur bei Schaf- und Ziegenfleisch. Sogar die französische Rindfleischproduktion ist dabei, sich zu erholen. Nachdem die Franzosen im vergangenen Jahr unter dem Schock des Rinderwahnsinns 20 Prozent weniger Rindfleisch kauften, haben sie ihre Skrupel jetzt schon fast wieder vergessen.
Frankreich bringt 30 Prozent der europäischen Weizenproduktion ein (53 Millionen Tonnen im Jahr 1995) und steigerte selbst nach dem Gatt-Abkommen, das die Europäer zu Ölsaatimporten aus den USA verpflichtete, seinen Anbau von Raps (von 1 Million Tonnen im Jahr 1980 auf 2,8 Millionen Tonnen im Jahr '95) und Sonnenblumen (von 245.000 Tonnen im Jahr 1980 auf 2 Millionen Tonnen im Jahr '95). Auch in der Viehwirtschaft vervielfachten die französischen Bauern ihre Produktivität. So steigerten sie ihre Schweinefleischproduktion von 1 Million Tonnen im Jahr 1980 auf 2 Millionen im Jahr 1995.
Doch die Produktionssteigerungen können nicht darüber hinwegtäuschen, daß im gleichen Zeitraum auch in Frankreich die Abhängigkeit von landwirtschaftlichen Importen zugenommen hat. Und das ganz besonders bei Produkten, die auch auf heimischem Boden und im heimischen Klima angebaut werden könnten. So stiegen die Obstimporte von 3,5 Millionen Francs (ca 1 Million DM) im Jahr 1980 auf den Gegenwert von 7 Millionen Francs (ca 2 Millionen DM). Ähnlich war die Tendenz beim Gemüse, da stieg der Importwert von einer knappen Million Francs im Jahr 1980 auf 1,7 Millionen Francs im Jahr 1995. Die Herkunftsländer für die meisten dieser Produkte liegen gleich nebenan: An erster Stelle die Niederlande, gefolgt von Luxemburg und Belgien und dann Deutschland. Umgekehrt läuft es in Frankreich weiterhin besonders gut mit dem Export von Wein und anderen Alkoholika. An zweiter Stelle der französischen Exporte folgt das Getreide, dann kommen die Milchprodukte und das Fleisch.
Wenn die wütendsten der 730.000 Landwirte, die es heute noch in Frankreich gibt, auf die Straße gehen, schimpfen sie regelmäßig über die jachère: das Brachland. Wegen der alljährlich in Brüssel neu festgelegten Quoten, die sich nach europäischer Produktion und Nachfrage auf dem Weltmarkt richten, müssen sie Teile ihrer Ländereien brachliegen lassen. Dafür gibt es zwar Subventionen, um die viele Städter die Bauern beneiden. Doch für die zum Nichtstun verpflichteten Produzenten sind das böse Vorzeichen. „Heute Bauern, morgen Arbeitslose“, heißt ihr warnender Slogan. Dorothea Hahn, Paris
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