: Die Aktualität des Unzeitgemäßen
Wem sonst nichts einfällt, der schreibt Kündigungen: Wie der BBK Berlin seine Druckwerkstatt ruiniert ■ Von Ulrich Clewing
Die Proteste nehmen zu, doch der Berufsverband Bildender Künstler (BBK) bleibt dabei: Die Kündigungen für drei von elf Mitarbeitern der Druckwerkstatt im Bethanien behalten ihre Gültigkeit. Der Grund: ein Defizit von 75.000 Mark im 1,87 Millionen- Etat des BBK-Kulturwerks. Wenn nicht noch etwas Überraschendes passiert, wird es ab dem 1. Oktober die Abteilungen Buch- und Offsetdruck nicht mehr geben.
Aufgeschreckt von der wachsenden Kritik versuchen die Verantwortlichen inzwischen abzuwiegeln. Es sei mitnichten daran gedacht, die betreffenden Abteilungen zu schließen, sie sollen nur in Zukunft von den übrigen Angestellten der Druckwerkstatt mitbetreut werden, sagt BBK-Vorsitzender Herbert Mondry. Daß die Fachkräfte, die jetzt vor die Tür gesetzt werden, nicht so ohne weiteres ersetzbar sind, will Mondry offenbar nicht verstehen. Zumal der Leiter des Kulturwerks, Thomas Spring, vor ein paar Wochen noch ganz andere Töne angeschlagen hatte. Hoch- und Buchdruck spielten heute künstlerisch keine nennenswerte Rolle mehr, so schwadronierte der erst seit einigen Monaten im Amt befindliche Kulturwerk-Geschäftsführer, daher seien „besondere Druckmaschinen und ein eigens dafür angestellter Werkstattleiter“ künftig entbehrlich.
Es ist fraglich, ob der BBK, der sich ursprünglich einmal die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für KünstlerInnen auf die Fahne geschrieben hatte, weiß, was er da tut, oder ob der Verband nicht vielmehr dumpfe Hauruck- Methoden mit Tatkraft verwechselt. Die Druckwerkstatt in ihrer jetzigen Form ist einzigartig in Europa. Gerade die Möglichkeit, anderenorts längst abgeschaffte Drucktechniken zu offerieren, ist es, die sie von anderen kommerziellen Unternehmen unterscheidet. So hat jemand, der einen Ausstellungskatalog per Bleisatz drukken möchte, hier die Auswahl aus über 100 verschiedenen Schriftarten mit insgesamt rund 15.000 Zeichen. Das bieten in Deutschland ansonsten allenfalls noch die Buchdrucker der Hochschule in Leipzig.
Dazu kommt, daß die KünstlerInnen von den Beschäftigten der Druckwerkstatt, die übrigens oft auch eine künstlerische Ausbildung haben, intensiv beraten und angelernt werden. Die eigentliche Arbeit können sie – in einem privatwirtschaftlichen Betrieb undenkbar – dann in aller Ruhe alleine machen. Nur so werden die Bücher produziert, die „bibliophile Maßstäbe“ setzen, wie vor eineinhalb Jahren der Autor in dem BBK-Schmuck- und Jubiläumsband „Sektor“ rühmte. Kulturwerk-Geschäftsführer Thomas Spring dürften die Ohren klingeln: Er selber war es, der das schrieb.
Es stimmt schon, die Zeiten ändern sich – manchmal schneller, als man denkt. Ob der BBK mit einer solch wankelmütigen Politik seiner Verantwortung gerecht wird, ist freilich zu bezweifeln.
8. Mai, 19 Uhr Eröffnung der Protest-Ausstellung „Arm dran“ im Bethanien, anschließend Party.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen