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Die Metropole Berlin bleibt eine Illusion

■ Beim Symposium der Freien Universität über die Rolle Berlins als europäische Metropole überwogen die Skeptiker. Ist es überhaupt sinnvoll, alles auf Berlin zu konzentrieren? fragte Kurt Sontheimer

Über nichts, aber auch gar nichts waren sich die rund hundert Teilnehmer aus Wirtschaft und Politik des FU-Symposiums unter dem Titel „Berlin. Metropole im Europa der Zukunft“ einig.

Schien die Ankündigung noch vorauszusetzen, daß die Metropole das anvisierte gemeinsame Ziel ist, zerstörte der Politikwissenschaftler Kurt Sontheimer in seinem Referat diese Illusion. „Ist es überhaupt sinnvoll, alles auf Berlin zu konzentrieren?“ fragte er, um festzustellen, daß man zunächst die „Politik der großen Worte“ zurechtstutzen müsse. Denn, so Sontheimer, von Metropole sei weit und breit keine Spur. Die Rolle der Kultur würde „außerordentlich überschätzt“. Davon, daß Berlin mit seinen Universitäten ein Zentrum des Geistes sei, „könne nicht die Rede sein“. Und die wirtschaftliche Lage Berlins verspreche auch keinen Metropolenschub.

Die offen gezeigte Abneigung Sontheimers, in den euphorischen Chor der Metropolenfans einzustimmen, verärgerte Veranstalter Werner Süß, zugleich Leiter des FU-Schwerpunktes Hauptstadt, sichtlich. Er hatte sich erhofft, daß zumindest das Ziel Metropole nicht in Frage gestellt werden würde und nannte die Tagung deshalb einen „Zukunftsdialog“ für die „Metropolenorientierung“. Auch Wolfgang Zeh, Ministerialdirigent in der Verwaltung des Bundestages, hielt gegen Sontheimer. Wenn man die Metropole wolle, dann müsse man auch etwas dafür tun. „Und darin“, so Zeh, „sehe ich den Sinn dieser Tagung.“ Er regte an, sich auf den Umzug des Bundestages gedanklich vorzubereiten und sagte: „Ich bin gespannt, wann Edzard Reuter einen politischen Salon eröffnet.“

Während die Vertreter der Bundesregierung sich der Frage widmeten, wie Berlin bundestagsreif werden könnte, hielt der Politikwissenschaftler Hajo Funke ein flammendes Plädoyer für einen „republikanischen Nationenbegriff“ der von Berlin ausgehen müsse. Er stellte Berlin als Vorbild für den Rest der Republik dar, betonte aber auch, daß „Berlin gegen den Baum fährt“, wenn man abstrakte Konzepte auf die Stadt anwende, wie dies von Bonn aus, aber auch von Seiten der Wirtschaft geschehe. Die Bedingungen vor Ort wie z.B. die Mischung der Ethnien, müsse Ausgangspunkt der Politik sein. Auch die Podiumsdiskussion am Abend verlief kontrovers. Während der Soziologe Ralf Dahrendorf schon im Vorfeld vor zu großen Erwartungen an Berlin gewarnt und das Entstehen einer neuen Metropole negiert hatte, saßen mit Eberhard Diepgen und Bauminister Klaus Töpfer die personifizierten Hoffnungen auf eine metropolitane Entwicklung Berlins auf dem Podium. Barbara Junge

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