: Wir begrüßen die Zombies unter unseren Musikinstrumenten Von Susanne Fischer
Fütdüdelühdüdelüh – erinnert sich noch jemand an die Panflöte? Jenes Ding, das man in den siebziger Jahren erfand und das wie eine Trillerpfeife klang, die erst ins Wasser gefallen war und dann sehr weinen mußte? Fütdüdelü, blies sie ihre ehrlichen Trillerpfeifengefühle mit traurigem Tremolo in die Welt hinaus. Oder besser in die Kirche hinein, denn jener Schorsch Zampfir, der damals als Meister der Schluchztriller galt, gab gerne Konzerte in großen Gotteshäusern, in denen der evangelische Nachwuchs mit gottesfürchtigen Zöpfen ergriffen lauschte.
Fütfüdelü, gniedelte Zampfir, während die Mädchen vom adretten Evangelen träumten, der ihnen einst das fröhliche, evangelische Einfamilienhaus bescheren würde, in dem man sein bescheidenes Glück in Ruhe putzen könnte, und an ruhigen Abenden nach einem guten Gespräch (mit Tiefgang) bei einer guten Flasche Wein den Abend mit allerhand Fütdüdelü würde ausklingen lassen können.
Ob es vergleichbar korrupte Musikinstrumente gibt? Vielleicht die Hammondorgel? Nein, die hatte jedenfalls eine Art technoiden Schick, auf dem sie sogar noch lange nach ihrer Zeit in verschnarchten Hotelbars beharren konnte, wenn „Kurti – ihr Alleinunterhalter!“ sich an ihr verging. Während die Panflöte ihr „Hey, wir waren schon mal in Griechenland, dieses Licht, einmalig, sage ich Ihnen, und dieses Lebensgefühl, also voller Schluchztriller und Tremolo“ niemals ablegte. Die kunstlosen kleinen Orgelpfeifen, die sich der Virtuose vor den schmerzlich verzogenen Lippen hin- und herschob, singalisierten Primitivität und Durchschaubarkeit allen künstlerischen Wirkens. Das Authentische sollte das Wahre sein. Oliven direkt vom Baum und Musik egalweg aus dem Bauch. Letztlich ging es bei all dem Getute und Gefiepse um die Machbarkeit des Glücks mit Hammer und Nagel statt Hammer und Sichel. Und um Helmut Schmidt.
Wie anders wird mir zumute, wenn ich nun erneut Schorse Vampir an meinem Nervensaft saugen hören muß, mit zart verhauchten Pan-Tönen in der Rundfunkwerbung. „Fütdüdelü – Sie haben ein Recht auf Entspannung“, raunt dort eine sektenanführerinnenfähige Stimme und bedroht mich mit raschem Herztod, falls ich nicht gewillt sei, vier CDs für 100 Mark umgehend zu erwerben. Kaufhausmusik der allerschlimmsten Sorte, einschließlich Pianopudding von Kleidermann, soll mir die einsamen Abende in meinem evangelischen Einfamilienhaus verschleimen, nachdem das Glück dort doch nicht zu Hause war, mein Mann zuviel Bauch hatte und mit seiner Sekretärin abgehauen ist und beide Kinder bekennende Legastheniker wurden. Warum gibt es eigentlich keine Reklame für Kettensägen, die das Recht auf Entspannung und freie Entfaltung der Persönlichkeit propagiert? Warum keine Abbausparkasse, die angespartes Eigenheimleid in bare Münze verwandelt, mit einer Zertrümmerungsprämie bei Holzhammer-Eigenleistung?
Da starre ich in meinen kalten Kamin, in dem ein elektrisches Feuerimitat herzlos und undurchschaubar glüht, und denke an die evangelischen Jugendfreizeiten damals auf Kreta. Dazu trinke ich ein gutes Glas Weizenkorn, denn mein Geld spare ich für Entspannungs-CDs. Habe ich das verdient? Ich würde sagen: ja.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen