: Freiheit, die er meint
Fernsehen, Presse, Privatsender – auf allen Kanälen ist Ruh': Indonesische Journalisten unter der Knute des Suharto-Regimes ■ Von Andreas Harsono
„Es ist gefährlich, recht zu haben“, schrieb Voltaire, „wenn die Regierung unrecht hat.“ Die Antwort indonesischer Journalisten hierauf wäre vermutlich, daß es besser ist, pragmatisch zu sein und sogar Lügen zu drucken, als die Wahrheit zu sagen. „Wenn man schreibt, was der Regierung nicht gefällt, rufen sie den Chefredakteur an und bedeuten ihm, daß er sich besser an die offiziellen Presseerklärungen hält. Wir nennen das die ,Telefonkultur‘“, erklärt ein Journalist, der für eine indonesische Finanzzeitung arbeitet.
Und gedroht wird nicht nur per Telefon. Im Juni letzten Jahres wurden die Chefredakteure Jakartas von einem Militärangehörigen zusammengerufen, der sie „ermutigte“, den Sturz der ältesten Tochter des Expräsidenten Sukarno, Megawarti Soekarnoputri, von ihrem Posten als Vorsitzende der Oppositionspartei PDI gutzuheißen. Man wies sie im übrigen an, das Wort „Sturz“ für die Aktion der Regierung gegen sie tunlichst zu vermeiden und statt dessen von ihrer Ablösung als Vorsitzende zu sprechen. Man warnte die Redakteure ebenfalls, Megawatis Nachnamen zu benutzen – wegen der Assoziation mit ihrem Vater – und sie statt dessen beim Nachnamen ihres Ehemannes zu nennen.
Noch größer war die Manipulation der Medien in Sachen der neuen, formal nicht anerkannten Volksdemokratiepartei PRD. Eine Woche vor den Unruhen in Jakarta am 27. Juli 1996 machte ein Abgesandter des Militärs (ABRI) bei Presse- und Rundfunkredaktionen die Runde und versorgte sie mit Informationen über die PRD, die ihre kommunistische Unterwanderung beweisen sollten. Er forderte die Redakteure auf, das Material in ihrer Berichterstattung zu verwenden. Die völlig unbewiesenen Behauptungen machten pflichtgemäß Schlagzeilen in Presse und Rundfunk.
Dreißig Jahre nach der Machtergreifung hat Präsident Suharto sein Land in ein fein ausbalanciertes politisches System verwandelt, das unsichtbare Grenzen zwischen Erlaubtem und Verbotenem gezogen hat. Alte Hasen meinen, daß sich auf der Verbotsseite vor allem das persönliche Leben der Suharto-Familie befinde, deren Geschäftsimperien – aufgrund der Position ihres Patriarchen – enorm gewachsen sind. Hinzu kommt die Ost-Timor-Frage, Menschenrechtsverletzungen im allgemeinen und die Person Megawati Sukarnoputris. Die Regierung hat zudem ein ganzes Bündel von Medientabus aufgestellt, bekannt unter dem Sammelnamen SARA: Suku (Ethnie), Agama (Religion), Ras (Rasse) und Antar golongan (interkommunitär). Als 1996 von muslimischen Demonstranten in Situbondo und Tasikmalaya eine Kirche nach der anderen niedergebrannt wurde, bezeichnete die Tageszeitung Kompas, die einen starken katholischen Einschlag hat, die Kirchen als „Gottesdiensthäuser“. Die zu behandelnde Problematik war ein SARA-Thema – und die Zeitung wollte so dem Vorwurf religiöser Hetze aus dem Weg gehen. Der vermutlich schwerwiegendste Fall ereignete sich jedoch 1994. Die Medien berichteten damals von einem Streit zwischen Suhartos Beratern, bei dem es um den Ankauf von 39 Kriegsschiffen der alten DDR-Marine ging. Der Minister für Forschung und Technik, B.J. Habibie, wollte eine Milliarde US-Dollar für Kauf und Überholung der Schiffe. Seine Rivalen jedoch, unter ihnen mehrere Generäle und der Finanzminister Muhammad, stimmten der Ausgabe nicht zu und verkleinerten das Budget auf 300 Millionen US- Dollar. Die Generäle wollten kein nach sowjetischem Modell gebautes Kriegsgerät, da ihre Soldaten westliche Modelle gewohnt seien. „Man kann keinen Krieg führen, wenn Admiräle nicht einmal die russischen Gebrauchsanweisungen lesen können“, sagte ein Militäranalytiker.
Die Medien waren sich einig, daß die Story publik gemacht werden sollte. Es ging um bekannte Persönlichkeiten, großes Geld, Intrige und Spaltung zwischen mächtigen Interessengruppen innerhalb der Regierung. Die Entscheidung war teuer – und für einige sogar tödlich. Suharto warf den Medien vor, Regierungsbeamte gegeneinander auszuspielen. Und schlimmer noch: Er befahl die Schließung dreier Wochenmagazine – Tempo, DeTik und Editor. Ein Regierungsbeamter gab eine Erklärung ab, in der es hieß, die „Regierung (sei) gezwungen (worden), diesen drei Magazinen die Lizenz zu entziehen zugunsten der Entwicklung einer freien, gesunden und verantwortlichen Presse und aus Gründen nationaler Stabilität“.
Damals waren die erwähnten Zeitschriften die drei größten politischen Magazine des Landes. Tempo war 1971 nach dem Vorbild des amerikanischen Time Magazine gegründet worden. Als die Regierung die Zeitschrift im Juni 1994 zur Einstellung zwang, hatte sie 400 Mitarbeiter, eine verkaufte Auflage von 200.000 und eine geschätzte Leserschaft von 1,4 Millionen. Mit diesen drei Wochenzeitungen ist auch die Pressefreiheit in Indonesien gestorben.
Neben dem Verbot von Zeitungen und der Verhaftung von Journalisten, den sichtbarsten Elementen einer repressiven Politik, hat die Regierung noch andere Mittel, um die Medien auf Linie zu bringen. Da ist vor allem die staatlich sanktionierte Vereinigung Indonesischer Journalisten (PWI), die als offizielle Wächterin der Regierung in den Redaktionsstuben agiert. Die PWI kann der Chefredaktion das Vertrauen entziehen, was das sofortige Verbot der Zeitung durch die Regierung zur Folge hat.
Ein anderes Instrument der Repression ist das System der Publikationslizenz, bekannt unter dem Akronym SIUPP. Eine Lizenz kann jederzeit entzogen werden. Dadurch hält der Informationsminister des Landes, Harmoko (gleichzeitig Vorsitzender der Regierungspartei Golkar), die Journalisten permanent in ängstlicher Abhängigkeit.
Mit dem Näherrücken der Wahlen am 29. Mai hat die Regierung ihren Zugriff auf die Medien noch verstärkt, um die Berichterstattung über die Wahlkampagne bis ins letzte kontrollieren zu können. Die beiden offiziell anerkannten Oppositionsparteien PPP und PDI haben wiederholt den staatlichen Fernsehsender TVRI gebeten, ausgewogener über die politischen Parteien zu berichten. Hormoko, angetan mit seiner gelben Golkar- Uniform, erscheint täglich auf dem Bildschirm von TVRI. Die Oppositionsführer haben durchaus akzeptiert, daß die privaten Sender der Regierungspartei mehr Sendezeit einräumen als ihnen. Der Sender TVRI jedoch gehört nicht Golkar, sondern der Allgemeinheit.
Indonesiens fünf Privatsender sind tatsächlich kein bißchen unabhängiger, die meisten gehören den Kindern oder Geschäftspartnern des Präsidenten: Der größte Privatsender RCTI ist eine Tochter der Bimantara Citra Gruppe, deren Mehrheitseigner Suhartos Sohn Bambanf Trihatmodjo ist; seine ältere Schwester Siti Hardiyanti Rukmana, bekannt als „Schwester Tutut“, kontrolliert den Sender TPI, und SCTV wird von einem Finanzkonsortium gestützt, in dem Suhartos Cousin Sudwikatmono sitzt. Der Sender An-teve wird von einem Golkar- Funktionär kontrolliert, und der neueste der fünf Privaten, Indosiar, gehört schließlich der Salim- Gruppe, deren Besitzer Liem Sioe Liong, ein alter Freund von Suharto, ist.
Die Macht der Regierung über die Privatsender wird absolut dadurch, daß sie wie die Printmedien lizensiert werden. Die Sendelizenz muß alle fünf Jahre erneuert werden und kann im übrigen jederzeit entzogen werden. Die Regierung kontrolliert inzwischen nahezu jeden Aspekt der Massenmedien. Zwar wissen die Journalisten, daß die Regierung unrecht hat. Aber sie wissen auch, wie mächtig sie ist. Ob die Journalisten, die für eine größere Pressefreiheit eintreten, auf Dauer genug Energie aufbringen können, ist fraglich. Denn in jedem Fall steht ihnen ein langer Kampf bevor.
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